Gegen 8000 Minderjährige haben in diesem Jahr in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. Kinder und Jugendliche, die teils mit, teils ohne Familie angekommen sind. Martin Wendelspiess, Chef des Zürcher Volksschulamts spricht von einer grossen Herausforderung: «Vor allem die Gemeinden und die Schulleitungen, die sofort Klassen organisieren müssen, sind extrem gefordert.»
Die Schülerzahl ändere phasenweise von Woche zu Woche. In Asylzentren führt man für die Kinder oft eigene Klassen. Kleinere Gemeinden schicken asylsuchende Kinder zum Teil von Anfang an in gewöhnliche Klassen. Grössere Gemeinden, wo mehr Kinder Asyl suchen, senden sie in sogenannte Aufnahme- oder Empfangsklassen, bis sie genügend gelernt haben, um gewöhnliche Klassen zu besuchen. So auch in der Stadt Biel. Vier Empfangsklassen hatte man bis jetzt. Nun beantragt die Stadt beim Kanton zwei weitere Klassen. Reto Meyer, Leiter der Abteilung Schule und Sport sagt, dass die Empfangsklassen überfüllt seien: «Eine ideale Besetzung besteht aus zwölf Schülern. Jetzt haben wir teilweise 28 Kinder. Da muss man schauen, dass man neue Lehrkräfte anstellen kann.»
Graubünden freut sich über die neuen Schüler
In den Empfangsklassen lernen die Kinder die neue Sprache und die neue Kultur zu begreifen. In Biel möchte man sie nach circa einem halben Jahr in gewöhnliche Klassen integrieren. Im Kanton Graubünden erhalten die Kinder Unterricht in den kollektiven Asyl-Unterkünften.
Im nächsten Jahr eröffnen die Behörden drei neue Unterkünfte. In zwei davon sind weitere Schulen geplant, sagt Marcel Suter, Leiter des kantonalen Migrationsamtes. Meistens nach zwei bis drei Jahren würden die Kinder dann Regelklassen besuchen. In einigen Gemeinden, sei man sehr froh darüber, meint er: «Wir haben Talschaften in denen eine Entvölkerung stattfindet. Wenn sie gut vorbereitet sind, sind Kinder aus Asylzentren hier sehr willkommen, damit die Klassen überhaupt noch geführt werden können.»
Genf als Idealbeispiel
Beat Zemp, Präsident des Dachverbandes der Schweizer Lehrkräfte, bevorzugt die Lösung aus dem Kanton Genf. Hier sind Kinder, die Asyl suchen, am Morgen in einer speziellen Klasse unter sich. Am Nachmittag besuchen sie den Unterricht in gewöhnlichen Klassen zusammen mit Schweizer Kindern. Zemp erachtet dies als ein gutes Beispiel: «Das ist sicher besser als wenn man die Kinder jahrelang in Empfangsklassen schult. Wir wollen eine möglichst frühe Integration in die Regelklassen.»
Besonders gefordert sind die Behörden aber bei Kindern und Jugendlichen, die ohne Familie in die Schweiz geflüchtet sind. Diese unbegleiteten Minderjährigen sind oft traumatisiert und brauchen psychologische Betreuung. Meistens besuchen sie eigene Klassen.
Was passiert mit über 16-Jährigen?
Spezielle Lösungen braucht es für minderjährige Asylsuchende, die älter als 16 sind. Der Kanton Zürich empfiehlt seinen Gemeinden, auch 16- und 17-Jährige noch in die Volksschule aufzunehmen – und setzt es in seinen kantonalen Zentren auch so um. Die Kantone Basel-Stadt und Bern setzen auf Brückenangebote. Der Kanton Bern eröffnete in diesem Jahr zehn zusätzliche Integrationsklassen – 28 sind es insgesamt. Auch junge Erwachsene bis 25 dürfen diese besuchen.
Kosten werden steigen
Dabei hat der Kanton an den Zehnten Schuljahren erst gerade noch gespart. Man könne von einem Gegentrend sprechen, sagt der bernische Erziehungsdirektor Bernhard Pulver. Dies koste auch etwas: «Wir gehen davon aus, dass die zusätzlichen Massnahmen, die wir in der Sekundarstufe II, in den Brückenangeboten, aber auch in der Volksschule brauchen, mehrere Millionen pro Jahr kosten.»
Auch in anderen Kantonen, die viele asylsuchende Kinder beherbergen, werden die Ausgaben im Bildungsbereich wohl steigen. Und dies in Zeiten des Sparens. Diese Investitionen lohnten sich aber, meint Pulver: «Wenn diese Menschen hier bleiben ist es ganz wichtig, dass keine Parallelgesellschaft entsteht. Die Leute wollen hier etwas lernen, arbeiten und uns unterstützen. Wenn sie dereinst in ihre Heimat zurückkehren, was wir hoffen, ist es ebenso wichtig, dass sie eine gute Bildung haben, um beim Aufbau ihres Heimatlandes mithelfen zu können.» Und dann müssten die Menschen aus Ländern wie Syrien gar nicht mehr flüchten. Die Schweiz profitiere also so oder so.