Schwierige Stunden mussten die beiden Aussenminister miteinander verbracht haben, als sie am frühen Nachmittag vor die Medien traten. Didier Burkhalter und dem türkischen Gast Mevlüt Cavusoglu war die Anspannung anzusehen, obschon sie nun schon zum dritten Mal innerhalb von sechs Monaten zusammenkamen.
Bundesrat Burkhalter sparte nicht mit Kritik an der Entwicklung in der Türkei, wo es in den letzten Wochen zu Tausenden von Verhaftungen und Repression der Regierung gegen die Medien gekommen war. Der herrschende Ausnahmezustand sei in einer aussergewöhnlichen Situation zwar verständlich, sagte Burkhalter. Aber dennoch müssten fundamentale Rechte eingehalten werden.
Einig, dass man sich nicht einig ist
Zur laufenden Debatte in der Türkei, ob die Todesstrafe wieder eingeführt werden solle, hielt der schweizerische Aussenminister fest: «Die Todesstrafe ist keine wirksame Lösung, um die Gewalt in der Türkei zu bekämpfen.»
Die Antwort des türkischen Amtskollegen folgte postwendend: «In einer Demokratie darf man die Meinung des Volkes nicht ignorieren, und deshalb wird das türkische Parlament die Frage der Todesstrafe debattieren und einen Entscheid fällen», machte der türkische Aussenminister klar.
Die Aktionen der türkischen Regierung im Rahmen des Ausnahmezustandes seien zudem absolut konform mit den internationalen Konventionen und der türkischen Verfassung, verteidigte sich Cavusoglu.
Vorwürfe an die Schweiz
Dann ging er seinerseits zum Gegenangriff über: Türkinnen und Türken in der Schweiz, die gegen die PKK oder die Gülen-Bewegung demonstrierten und auch türkische Medienvertreter in unserem Land würden beträchtlich unter Druck gesetzt, behauptete der türkische Aussenminister.
Was Didier Burkhalter – für alle sichtbar – mit Stirnrunzeln und Augenrollen quittierte. Die Stimmung mit der Türkei sei in der Tat nicht gerade hervorragend, meinte der Bundesrat nach seinem Auftritt mit dem Amtskollegen aus Istanbul: «Es ist schwierig, es gibt zu viele Divergenzen. Aber diese Punkte werden diskutiert.»
Wichtig sei, dass der Dialog weitergeführt werde. Dabei mache es keinen Sinn, Druck aufsetzen zu wollen, sagt Burkhalter: «Wenn man zu weit geht und droht, erreicht man das Gegenteil davon, was man will».
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Diplomatische Gratwanderung
Die Strategie der Schweiz ist es, die Türkei immer wieder an Aussagen von früher zu erinnern. Die türkische Regierung habe sich wiederholt gegen die Todesstrafe ausgesprochen. Überdies seien die Meinungen in der Regierungspartei zu diesem Thema geteilt. Daran müsse man arbeiten.
Er wisse, das klinge nicht sehr spektakulär, so der EDA-Chef: «Aber am Schluss gibt es vielleicht eine kleine Chance, dass es sich nicht in die falsche Richtung entwickelt – was derzeit in der Türkei passiert, ist gefährlich.» Das klingt alles andere als optimistisch.
Rückübernahme-Abkommen liegt auf Eis
Auch in einem weiteren Dossier, das für die Schweiz von grossem Interesse ist, kann Burkhalter keinen Durchbruch vermelden. Seit Monaten wird zwischen den beiden Ländern über ein Abkommen zur Rückübernahme von illegal Eingereisten diskutiert. Nach wie vor herrsche in zwei Punkten Uneinigkeit, rapportiert der schweizerische Aussenminister.
Auf die Nachfrage, ob es sich dabei wirklich nur noch um technische Details handle, bemerkt Burkhalter: «Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nicht sagen. Aber ich muss zugeben, dass ich meine Zweifel habe.» Burkhalter und sein türkischer Amtskollege haben für die nächste Zeit ein weiteres, viertes Treffen vereinbart.