Die meisten Asylgesuche sollen künftig in einem beschleunigten Verfahren behandelt werden – einem Verfahren, das maximal 140 Tage dauert. Die Asylsuchenden sollen für die gesamte Dauer des Verfahrens in regionalen Zentren des Bundes untergebracht werden. Die bisherige Praxis habe sich als ineffizient, teuer und auch unmenschlich erwiesen, unterstrich Justizministerin Simonetta Sommaruga vor den Medien. «Wir haben ein Interesse, das Menschen, die hierzulande Asyl beantragen, rasch wissen, woran sie sind.».
Arbeitsverbot gelockert
Falls sie bleiben könnten, sollten sie gemäss Bundesrat auch rasch in den Arbeitsmarkt integriert werden. Der Bundesrat hat sodann die Bestimmungen zum Arbeitsverbot angepasst. Während des Aufenthaltes in den Zentren des Bundes sollen Asylsuchende keiner Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen. Nach einer Zuweisung auf die Kantone soll das Arbeitsverbot aber wegfallen. Heute dürfen Asylsuchende in den ersten drei Monaten nach Einreichung ihres Gesuchs generell keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.
Beschwerdefristen gekürzt
Angepasst wurden nach der Vernehmlassung auch die Beschwerdefristen: «Für rund 60 Prozent der Asylsuchenden soll die Beschwerdefristen kürzer sein», sagt Bundeshauskorrespondent Dominik Meier. Einem Asylsuchenden würden so nur noch fünf Arbeitstage bleiben, um einen negativen Asylentscheid anzufechten. Aktuell sind es noch 30.
Den Kantonen zugewiesen werden nur noch jene Asylsuchenden, für deren Gesuch weitere Abklärungen nötig sind. Diese Verfahren sollen innerhalb eines Jahres rechtskräftig abgeschlossen werden. Asylsuchende mit negativem Entscheid müssen in dieser Zeitspanne ausreisen.
Testverfahren zeigt: Es gibt weniger Einsprachen
Im Gegenzug sind für die Asylsuchenden eine kostenlose Beratung über das Asylverfahren und eine kostenlose Rechtsvertretung vorgesehen – sozusagen als Ausgleich für das hohe Tempo. Damit sei sichergestellt, dass die Asylverfahren nicht nur rascher, sondern weiterhin fair durchgeführt würden, hält der Bundesrat fest.
In der Vernehmlassung war von bürgerlicher Seite vor allem der unentgeltliche Rechtsbeistand auf Kritik gestossen. FDP und SVP befürchten eine Beschwerdeflut und eine Kostenexplosion. Die CVP begrüsste die Revision als Schritt in die richtige Richtung, äusserte aber ebenfalls Zweifel am Rechtsschutz. Der Bundesrat hält jedoch an diesem Plan fest. Seit Anfang Jahr testet der Bund dieses Verfahren in Zürich. «Es zeigt sich, es gibt sogar weniger Einsprachen», sagt Bundeshauskorrespondent Dominik Meier. Deshalb schwenke die CVP politisch um und unterstütze nun dieses Konzept. Deshalb sei eine Mitte-Links-Mehrheit im Parlament möglich.
Standorte bis Ende Jahr bekannt
Noch offen ist, wo die neuen Bundeszentren stehen werden. Das Standortkonzept werde vom Bundesamt für Migration in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen erarbeitet. Bis Ende 2014 soll das Konzept vorliegen. «Zwischen den Kantonen und dem Bund wird intensiv gefeilscht», sagt Meier. In den letzten Monaten seien die Asylzahlen massiv gestiegen. Die Kantone hätten alle Hände voll zu tun, kantonale Unterkünfte zu finden. Es gebe zudem Widerstände in der Bevölkerung. Diese Frist komme für die Bundeszentren ungelegen. Doch der Bundesrat hält an diesem Plan fest.
Bedarf nach 5000 Plätzen
Im Frühjahr hatten sich Bund, Kantone und Gemeinden im Grundsatz darauf geeinigt, dass sechs Asyl-Regionen mit jeweils mehreren Bundeszentren gebildet werden sollen. Heute verfügt der Bund über rund 1400 Unterbringungsplätze in fünf Empfangs- und Verfahrenszentren. Nach der Neustrukturierung besteht ein Bedarf von 5000 Plätzen in Zentren des Bundes.
Für neue Unterkünfte und Arbeitsplätze rechnet der Bundesrat mit Investitionen von bis zu 548 Millionen Franken. Auf mittlere Sicht werde die Neustrukturierung des Asylwesens aber zu jährlichen Einsparungen von bis zu 170 Millionen Franken im Vergleich zum heutigen System führen, hält das EJPD fest.
Effekt der Abschreckung funktioniert nicht
Das Motiv für die Reform war geprägt von der Erfahrung mit den afrikanischen Wirtschaftsflüchtlingen nach dem arabischen Frühling. «Es ging darum, die vielen negativen Asylentscheide zu fällen, damit die Menschen rasch abgeschoben werden können und die Schweiz nicht zum Magneten für solche Menschen wird», präzisiert Meier. Nun bedeute die Reform nicht schnellere negative Entscheide, sondern – im Gegenteil – positive. Heute machen Eritreer die Hälfte der neuen Asylgesuche aus. Sie dürfen praktisch alle bleiben. Dasselbe gilt für Asylsuchende aus Syrien. «Der Effekt der Abschreckung durch schnelle Verfahren fällt weg», sagt Meier. Die Frage ist somit, ob die Reform den neuen, politisch verfolgten Asylsuchenden Rechnung trägt.