Sie kommen als blinde Passagiere mit dem Schiff, dem Flugzeug oder über den Landweg. Sie verstecken sich gerne in Holzverpackungen und fühlen sich in der hiesigen Vegetation überaus wohl. Einmal frei gesetzt, können sie ganze Ökosysteme und die Waldwirtschaft in Gefahr bringen. Die Rede ist von eingeschleppten Insekten, Pilzen oder Fadenwürmern.
Viele dieser gebietsfremden Organismen stammen aus wärmeren Regionen, gedeihen aber wegen der Klimaerwärmung auch in der Schweiz. Ab kommendem März können hiesige Forscher unter modernsten Bedingungen herausfinden, wie man den Eindringlingen an den Kragen geht. In Birmensdorf (ZH) wurde dazu das Pflanzenschutzlabor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) eingerichtet, wo Forscher mit den Organismen experimentieren können.
Starke Zunahme eingewanderter Schädlinge
Laut Christoph Hegg, Vizedirektor des WSL, hat die Anzahl der Insektenarten, die einheimische Waldbäume und Sträucher schädigen können, in den letzten 20 Jahren stark zugenommen. Die Ursache dafür sind der globale Handel, aber auch die Mobilität der Menschen.
Als Beispiel für einen sehr gefährlichen Quarantäne-Organismus nennt Hegg den Asiatischen Laubholzbockkäfer (ALB), der mit Granit-Lieferungen aus China den Weg in die Schweiz gefunden hat. 2013 mussten in Winterthur über 100 Bäume gefällt werden, um eine Ausbreitung des Käfers zu verhindern.
Invasion der Schädlinge
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Bild 1 von 9. Die Asiatische Tigermücke: wenn sie zusticht, dann kann es gefährlich werden. Sie kann Krankheiten wie das Chikungunya- oder Dengue-Fieber übertragen. Die Folge sind Schüttelfrost, Glieder- sowie Gelenkschmerzen. Die Mücke wird in Autoreifen oder Schnittblumen von Asien nach Europa verschleppt. Die ersten Tigermücken wurden 2002 im Tessin entdeckt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 9. Der Buchsbaumzünsler kommt aus Ostasien. Die Jungraupen fressen die Blätter des Strauches und anschliessend auch die grüne Zweigrinde. Dann verpuppen sich die Raupen in einem losen Gespinst im Buchsbaum. Ein starker Befall führt zum Tod des Strauches. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 9. Der Asiatische Laubholzbockkäfer ist ein gefürchteter Holzschädling. Er befällt Ahorn, Pappeln und andere Laubbäume. Ein befallener Baum stirbt in der Regel ab. Der Käfer kommt aus China. Das erste Mal wurde die Art 2011 in den Kantonen Freiburg und Thurgau festgestellt. Bildquelle: wsl.
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Bild 4 von 9. Der Asiatische Marienkäfer kommt aus Japan und China. Eingeführt wurde er ursprünglich zur biologischen Schädlingsbekämpfung. Die Käfer vertilgen Unmengen von Blattläusen. Mittlerweile bedrängen sie jedoch die heimischen Marienkäfer. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 9. Die Kirschenfruchtfliege ist ein grosses Problem für die Obstbauern. Ihre Maden fressen sich bis zum Stein durch. Sie ernähren sich vom Fruchtfleisch der Kirsche. Dieses wird zu einer breiigen Masse, die Kirschen werden unappetitlich und faulen leicht. Bildquelle: Agroscope ACW.
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Bild 6 von 9. Der Westliche Maiswurzelbohrer ist ein gefährlicher Maisschädling. Er war ursprünglich im mittleren Amerika angesiedelt. Allerdings verbreitete er sich schnell über die USA und Kanada bis nach Europa. Den Hauptschaden verursachen die Larven des Käfers, die an den Wurzeln der Maispflanzen fressen. Bildquelle: Wikipedia.
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Bild 7 von 9. Die Japanische Edelkastanien-Gallwespe wird gerade einmal 3 mm gross, ist aber der weltweit bedeutendste Kastanien-Schädling. Ursprünglich in China zu Hause wurde die Wespe über Italien ins Tessin eingeschleppt. Bildquelle: Gyorgy Csoka.
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Bild 8 von 9. Die Kirschessigfliege kommt aus Südostasien. Der Schädling zerstört reifes Steinobst und verschiedene Beeren. Durch seine enorm schnelle Vermehrung verursacht er grosse Schäden. Bildquelle: Agroscope ACW.
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Bild 9 von 9. Die Tomatenminiermotte aus Südamerika bedroht Tomatenkulturen. Der Schädling breitete sich in Verpackungen schnell überall in Europa aus. Bildquelle: Agroscope ACW.
Auch eingeschleppte Pilzkrankheiten nehmen laut Hegg in der Schweiz deutlich zu. Diese breiteten sich über mikroskopisch kleine Sporen oft so schnell aus, dass man sie nicht daran hindern kann. Zudem könnten Fadenwürmer, die über Holzlieferungen von Übersee nach Europa gelangt sind, in wenigen Jahren verschiedene Föhrenarten in der Schweiz bedrohen.
Labore mit höchster Schutzstufe
Solch gefährlichen Organismen will die WSL mit dem neuen Pflanzenschutzlabor in Birmensdorf den Garaus machen. In rund 20 Labors erforschen ab dem nächsten Jahr Experten Pflanzenschädlinge, untersuchen verdächtige Proben und erarbeiten Abwehrstrategien.
Neu ist diese Aufgabe für die WSL nicht, wie Hegg betont. Weil besonders gefährliche Pilze, Fadenwürmer oder Insekten von Gesetzes wegen nur in geschlossenen Systemen erforscht werden dürfen, waren die technischen Möglichkeiten bisher jedoch begrenzt.
Einzigartig am neuen Labor am WSL-Sitz in Birmensdorf ist der Gebäudeteil mit der höchsten Schutzstufe 3. Diesen Teil dürfen nur geschulte Mitarbeitende über eine Schleuse betreten – zudem müssen sie Schutzkleidung und Laborschuhe tragen. Ein aufwendiges Belüftungssystem erzeugt einen permanenten Unterdruck und filtert die Abluft.
Abwasser und verwendetes Material wie Proben, Laborutensilien oder Schutzkleider werden in einem so genannten Durchreicheautoklav, der ähnlich funktioniert wie ein Dampfkochtopf, auf 120 Grad erhitzt und so die Schadorganismen abgetötet. Das Labor sei so dicht, dass kein Schädling es lebend verlassen könne, erklärte Hegg.
Vom Mikroskop bis zur DNA-Analyse
An einer mikrobiologischen Sicherheitswerkbank isolieren Forschende Erreger, vermehren diese wenn nötig in Reinkultur und analysieren diese unter dem Mikroskop. Geben äussere Merkmale nicht genügend Aufschluss, greifen die Forschenden zu molekularbiologischen Methoden und bestimmen Verwandtschaft und Herkunft der Organismen mit Hilfe von DNA-Analysen.
An das Laborgebäude angegliedert ist ein Gewächshaus aus bruchsicherem Glas, das die gleichen Anforderungen wie das Sicherheitslabor erfüllt. Darin können Forschende unter kontrollierten Bedingungen Schädlinge auf Pflanzen loslassen, um Hinweise auf ihre Anfälligkeit zu gewinnen und Bekämpfungsmassnahmen zu entwickeln und zu testen.
Von den Versuchen mit Insekten profitiert auch der Eidgenössische Pflanzenschutzdienst (EPSD), der seit 2012 zur Bekämpfung des Asiatischen Laubholzbockkäfers Spürhunde einsetzt. Damit die Hunde ihren Geruchssinn behalten, müssen sie regelmässig trainiert werden. Schnüffeln dürfen sie im Pflanzenschutzlabor allerdings nur an totem Material, wie Hegg betont.
In Betrieb genommen werden kann das Pflanzenschutzlabor in Birmensdorf erst im kommenden März. Zunächst werden die Laboreinrichtungen in einem aufwendigen Prozess überprüft und getestet. Erst danach können die eigentlichen Laboruntersuchungen beginnen. Laut Hegg können die Labors auch von in- und ausländischen Forschungspartnern genutzt werden.