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Schweiz Schweizer Seilbahnen: Das könnte teuer werden

Der Einbruch beim Skitourismus macht den Schweizer Seilbahnen zu schaffen. Dennoch dürften die wenigsten von ihnen den Betrieb einstellen. Vielmehr werden wohl die Steuerzahler einspringen müssen.

Nun kommt er doch noch, der Winter. Die Schweizer Seilahnen dürfte das freuen. Denn während den touristisch wichtigen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr gab es braune Wiesen statt verschneite Hänge. Viel Lust aufs Skifahren mochte da nicht aufkommen. Ein guter Winter aber wäre für die Schweizer Bergbahnen wichtig, da sie ohnehin gegen sinkende Zahlen beim Billettverkauf kämpfen. Der vorläufige Tiefpunkt wurde im letzten Winter erreicht: Verzeichneten die Bahnen 2004/05 noch 28,1 Millionen Eintritte – sogenannte Skifahrertage –, waren es zehn Jahre später nur noch 22,6 Millionen. Das ist ein Rückgang um rund 20 Prozent (siehe Grafik).

Diagramm mit Anzahl verkaufter Ski-Billette
Legende: Die Skifahrertage (oder Skier-days) gibt die Anzahl Tagesbesuche in einem Skigebiet an. Verband Schweizer Seilbahnen

Die Gründe dafür sind vielfältig: Da ist die Konkurrenz durch Städte- und Strandferien, ermöglicht durch billige Flüge. Der starke Franken schreckt Touristen aus dem Ausland ab, zudem schwächelt die Wirtschaft in Teilen Europas noch immer. Die Überalterung der Schweizer Bevölkerung und der wachsende Anteil Ausländer tragen das ihrige dazu bei, dass Skifahren an Popularität verloren hat.

In die Sauna statt auf die Piste

Dazu kommt: Selbst jene, die noch Skifahren gehen, bleiben weniger lang vor Ort. Das sagt Professor Pietro Beritelli, Tourismus-Experte an der Universität St. Gallen. Gleichzeitig stehe das Skifahren bei vielen Leuten nicht mehr im Zentrum: «Einen Tag lang geht man auf die Piste, den nächsten in die Sauna und am dritten geht’s auf eine Schneeschuhwanderung.»

Die Seilbahnen versuchen zwar, den sinkenden Verkaufszahlen im Winter mit allerlei Massnahmen zu begegnen: indem beispielsweise der Sommer-Tourismus stärker gefördert wird, etwa durch das Bereitstellen von speziellen Pisten und Wegen für Mountainbiker. Doch laut einer Studie des Luzerner Hochschulprofessors Philipp Lütolf erwirtschaften die Bergbahnen drei Viertel ihrer Erträge in der Wintersaison. «Diese Verluste durch ein besseres Sommergeschäft zu kompensieren, ist für viele ein Ding der Unmöglichkeit», sagt Lütolf.

500 Millionen Wertverlust drohen

Viele Bahnen schreiben deshalb rote Zahlen – zu Schliessungen kommt es dennoch selten. «Eine Bergbahn ist für eine Tourismus-Region der Magnet», sagt Andreas Keller vom Verband Schweizer Seilbahnen. Stelle eine Bahn den Betrieb ein, müssten oft auch Hotels, Restaurants und weitere Betriebe ihre Türen schliessen. «Die Region verschwindet praktisch von der touristischen Landkarte», sagt Keller. Das versuchten die betroffenen Gemeinden in aller Regel zu verhindern.

Skifahrer vor dem Matterhorn
Legende: Skigebiete, die nicht – wie Zermatt – auf Schneesicherheit zählen können, werden es in Zukunft schwerer haben. Keystone

Anschauungsunterricht liefert die Walliser Gemeinde Leukerbad. Die Torrent-Bahnen im dortigen Skigebiet schrieben rote Zahlen, ihnen drohte der Konkurs. Dieser konnte vorerst abgewendet werden; gleichzeitig gab die Gemeinde eine Studie zur Bedeutung der Bahnen in Auftrag. Die Autoren der Studie kamen zu folgendem Schluss: Eine Schliessung hätte den Verlust von 165‘000 Logiernächten zur Folge, bis zu 250 Arbeitsplätze wären gefährdet und die Immobilien im Dorf würden rund 500 Millionen Franken an Wert verlieren. Keine erfreulichen Aussichten also.

Die Gemeinde Leukerbad, der lokale Tourismusverein und der Verwaltungsrat der Torrent-Bahnen suchen deshalb nach Lösungen, um den Betrieb der Bahnen auch über die aktuelle Wintersaison hinaus zu garantieren. Unter anderem hat die Gemeinde ein zweckgebundenes Konto zur Rettung der Torrent-Bahnen eröffnet, in welches Gelder einbezahlt werden können. Nun hofft sie auf neue Investoren – und grosszügige Gönner.

Gönner bleiben die Ausnahme

Ebensolche sind im Berner Oberland und in Graubünden eingesprungen, um den Betrieb der dortigen Bahnen zu retten: In Gstaad haben Milliardär Ernesto Bertarelli und Roche-Erbe André Hoffmann dringend benötigte Millionen investiert; dasselbe tat Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz in Brigels. Doch solches Mäzenatentum dürfte die Ausnahme bleiben, sagt Philipp Lütolf von der Hochschule Luzern. «Beim grössten Teil der unrentablen Bahnen wird es darauf hinauslaufen, dass Kleinaktionäre aus der Region und die öffentliche Hand mit Steuergeldern einspringen müssen.»

Audio
Aufruhr in Charmey: Tourismusdirektor hinterfragt Wintertourismus
aus SRF 4 News aktuell vom 13.01.2016. Bild: Patrick Mühlhauser / SRF
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 45 Sekunden.

Bereits heute sind gemäss Seilbahnen-Verband etwa ein Drittel aller Bahnen auf Unterstützung durch Gemeinden und Kantone angewiesen, um den Betrieb zu sichern. Ein weiteres Drittel sei abhängig von Darlehen oder anderen Geldern der öffentlichen Hand. Nur gerade ein Drittel kann am Markt bestehen. «Sollten sich künftig grüne Weihnachten häufen, wird die Zahl jener Bahnen, die mit Steuergeldern finanziert werden, noch zunehmen», sagt Lütolf.

Gefahr für mittelgrosse Gebiete

Besonders bedroht vom Strukturwandel seien jene Skigebiete, die weder auf den Tagestourismus zählen können noch genug schneesicher sind, gleichzeitig aber hohe Fixkosten haben. «Das gilt insbesondere für mittelgrosse Gebiete, die – anders als beispielsweise St. Moritz oder Zermatt – kein Alleinstellungsmerkmal haben.»

Auf Gemeinden und Kantone solcher Skigebiete dürften deshalb Mehrkosten zukommen. Doch Andreas Keller vom Verband Schweizer Seilbahnen relativiert. «Wenn eine Gemeinde ein Schwimmbad oder eine Kunsteisbahn baut, wird dies als Aufgabe der öffentlichen Hand akzeptiert», sagt er. «Eine Bergbahn ist im Grundsatz nichts anderes – ein Angebot, das sich eine Gemeinde leistet.»

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