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Schweiz Schwieriger Umgang mit Schweizer Dschihadisten

Was braucht es, um einen mutmasslichen Dschihad-Kämpfer noch vor seiner Ausreise aus der Schweiz festzunehmen? Genügen die aktuellen Gesetze? Die Verhaftung eines mutmasslichen Terroristen-Sympathisanten vom vergangenen Dienstag wirft Fragen auf.

Knapp 25 Jahre alt ist der Mann. Am vergangenen Dienstag wollte der Schweizer ins Flugzeug Richtung Istanbul steigen. Er soll unterwegs gewesen sein in den Dschihad. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, dass er eine «kriminelle Organisation» unterstützt habe. Auch soll er sich an den Terrororganisationen Islamischer Staat (IS) oder Al Kaida beteiligt oder sie unterstützt haben.

Die Bundesanwaltschaft stützt sich dabei auf das Strafgesetzbuch und das IS- und Al-Kaida-Verbot. Mark Pieth kennt diese Straftatbestände gut. Der Professor für Strafrecht an der Universität Basel zweifelt aber, ob es für eine Verurteilung reicht: «Für eine Verurteilung sind die Hürden hoch.» Rechtlich heikel ist vor allem die Tatsache, dass der Verdächtige noch gar nicht in den Dschihad abgereist ist.

Auch Daniel Jositsch, Strafrechtsprofessor in Zürich und SP-Nationalrat, zweifelt. Nur wenn der Verdächtige bereits im Vorfeld ziemlich aktiv gewesen sei, reiche es wohl für eine Verurteilung. Blosse Kontakte zu Dschihadisten im Internet etwa genügten wohl nicht. Die Person müsse konkret eine Unterstützungshandlung vornehmen. «Ich denke da zum Beispiel an finanzielle Zuwendungen, das Sammeln von Geld oder ans Organisieren von Waffen oder Unterschlupf.»

Im konkreten Fall war es so, dass die verhaftete Person nicht einfach nur ein Flugticket nach Istanbul im Reisegepäck hatte.
Autor: André Marty Bundesanwaltschaft

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Entscheidend ist also die Frage, was die Behörden gegen den 25-Jährigen in der Hand haben, denn gekämpft hat er noch nicht. «Im konkreten Fall war es so, dass die verhaftete Person nicht einfach nur ein Flugticket nach Istanbul im Reisegepäck hatte», lüftet André Marty von der Bundesanwaltschaft den Schleier ein wenig.

Strafrecht ist am Limit

Strafrechtsprofessor Jositsch befürchtet, dass das Strafrecht hier an Grenzen stosse. Besser wäre es wohl, Ausreiseverbote für mutmassliche Dschihad-Reisende einzuführen, sagt der SP-Politiker. Verdächtigen soll also vorsorglich der Pass und die Identitätskarte entzogen werden können. «Ich bin für ein wirkungsvolles Ausreiseverbot unter der Voraussetzung, dass die rechtsstaatlichen Grundsätze eingehalten werden.»

Vielleicht ist schon viel gewonnen, ihn vierzehn Tage aus dem Verkehr zu ziehen.
Autor: Mark Pieth Professor für Strafrecht an der Universität Basel

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Im Nationalrat steht ein Ausreiseverbot zur Diskussion, entschieden ist noch nichts. Die Bundesanwaltschaft ist nicht überzeugt, dass ein Ausreiseverbot auch wirken würde. «Konkret wissen wir von einem Fall aus einem europäischen Nachbarland, wo sich eine Person ohne Pass bis nach Saudi-Arabien durchschlagen konnte», sagt Marty. Es stelle sich also die Frage, wie effizient eine Reisesperre tatsächlich wäre.

Klare Antworten fehlen

Das sieht auch Strafrechtsprofessor Pieth so. Vielleicht sei der im aktuellen Fall gewählte Weg über das Strafrecht nicht der schlechteste, auch wenn die Chancen für eine Verurteilung schlecht stünden. Alleine die Verhaftung und die zwei Wochen Untersuchungshaft könnten eine Wirkung haben. «Vielleicht ist schon viel gewonnen, ihn vierzehn Tage aus dem Verkehr zu ziehen. So ähnlich wie wir das im fürsorgerischen Freiheitsentzug bei psychisch sehr belasteten Personen machen.»

Das sei zwar nicht Sinn und Zweck des Strafrechts, so Pieth. Aber «ich glaube, dass dieses Mittel, das wir hier nun verwenden, tatsächlich eine Art Eselsbrücke ist – mangels anderer Mittel.»

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