Wie haben Sie Michail Chodorkowski erlebt?
Peter Gysling: Chodorkowski war ausserordentlich zugänglich, freundlich und besonnen. Er hat auch überhaupt keine Aggressionen gezeigt, als ich ihn beispielsweise auf die schwierigen zehn Jahre im Arbeitslager angesprochen habe.
Er will sich für die politischen Gefangenen engagieren, aber von einem Comeback in die Politik ist keine Rede. Das dementiert er. Was halten Sie davon?
Chodorkowski wird in nächster Zeit die neu entstandene russische Zivilgesellschaft ideell und vielleicht auch finanziell aus dem Ausland unterstützen. Aber er selbst wird in der Politik in Russland kaum mitmischen.
Vor seiner Gefangenschaft war er einer der grössten Kritiker von Wladimir Putin. Nun tönt er recht moderat. Warum?
Ich gehe davon aus, dass es eine Absprache gibt mit Putin, wonach er in nächster Zeit gar nicht nach Russland zurückkehren kann. Und es gibt noch einen anderen Grund: Ich denke, wenn sich Chodorkowski als ehemaliger Oligarch beispielsweise für das Amt des russischen Staatspräsidenten bewerben würde, dann hätte er einen schweren Stand. In der russischen Bevölkerung sind die Ex-Oligarchen nicht ausserordentlich beliebt.