2014 wurde das Medikament Tecfidera des Pharmakonzerns Biogen in der Schweiz zugelassen. Eine Behandlung mit dem Medikament gegen die Nervenkrankheit Multiple Sklerose ist allerdings teuer: Pro Jahr kostet sie 24‘031 Franken.
Schon länger erhältlich ist ein von Apotheken hergestelltes Medikament mit identischem Wirkstoff – zu einem deutlich tieferen Preis: Die Jahresbehandlung mit den Apotheken-Pillen kostet 2‘053 Franken, ein Zwölftel des Biogen-Produkts. Doch seit der Zulassung von Tecfidera dürfen die Krankenkassen das günstigere Medikament offiziell nicht mehr vergüten. Dies dürften sie erst dann, wenn der Wirkstoff auf die sogenannte Arzneimittelliste mit Tarif aufgenommen wird.
Antrag immer noch hängig
Ein entsprechender Antrag ist seit über einem Jahr beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) hängig. Und dies, obwohl das BAG im letzten Herbst mitteilte, der Entscheid würde innerhalb von drei Monaten fallen. Doch passiert ist nichts.
Gemäss Sprecher Daniel Bach waren die Abklärungen komplizierter als angenommen. Jetzt kommt Bewegung in die Sache, wie Daniel Bach gegenüber «10vor10» erklärt: «Wenn es läuft, wie wir uns das vorstellen, werden wir den Wirkstoff per 1. Januar 2016 auf die Arzneimittelliste nehmen.» Das heisst gemäss Bach, dass das – günstigere – Medikament der Apotheken ab dann von den Krankenkassen vergütet werden kann.
Wirkung per Zufall entdeckt
Tecfidera und das Medikament der Apotheken haben denselben Wirkstoff: Dimethylfumarat (DMF): Dieser wurde ursprünglich zur Behandlung von Schuppenflechten eingesetzt. Durch ein Zufall entdeckten Ärzte, dass DMF bei Patienten mit Multipler Sklerose die Anzahl der Krankheitsschübe verringern kann.
Seither stellen diverse Apotheken Präparate mit DMF her. Der Pharmakonzern Biogen kaufte sich die Lizenzen für den bewährten Wirkstoff und kam so zu einem Medikament gegen Multiple Sklerose.
«Das kann kein Apotheker»
Die Forderung, Dimethylfumarat auf die Arzneimittelliste mit Tarif aufzunehmen, stösst bei der Pharmaindustrie auf Ablehnung. Thomas Cueni, Generalsekretär des Pharmaverbands Interpharma, sagt: «Die Forderung hat nur einen Hintergrund: Man möchte Geld sparen. Dadurch ist man bereit, Kompromisse einzugehen bei der Patientensicherheit.»
Die Wirkungen und Nebenwirkungen seien nur bei Tecfidera untersucht worden, sagt Cueni: «Die Firma hat eigens für das Medikament magensaftresistente Mikrotabletten entwickelt. Das kann kein Apotheker in der gleichen Art.»
«Mehrere Jahre Erfahrung»
Anders beurteilen Apotheken den Sachverhalt. Der Berner Apotheker Silvio Ballinari verkauft die DMF-Tabletten gegen Multiple Sklerose. Er betont, seine Medikamente seien sicher: «Unser Produkt ist magensaftresistent. Und wir haben seit mehreren Jahren Erfahrungen mit Patienten.»
Margrit Kessler, GLP-Nationalrätin und Präsidentin der Stiftung Patientenschutz, begrüsst die geplante Aufnahme des Wirkstoffs auf die Arzneimittelliste: «Das ist ein grosser Schritt.» Kessler hat im Parlament mehrere Vorstösse zu diesem Thema eingereicht. Für sie ist jetzt entscheidend, dass Ärzte und Spitäler auch auf das günstigere Präparat setzen.