Nachdem der freigelassene Geschäftsmann Michail Chodorkowski in die Schweiz eingereist ist, stellt sich auch die Frage nach politischen Reaktionen. Denn das Verhältnis der Schweiz zu Russland erlebte in der Vergangenheit auch schwierige Momente – etwa als es um die Rechtshilfe an Russland im Fall Chodorkowski ging.
SRF: Sind politische Auswirkungen – negative oder positive – von Michail Chodorkowskis Aufenthalt in der Schweiz zu erwarten?
Felix Gutzwiller: Im Moment sind dafür keine Anzeichen festzustellen. Man wird den weiteren Verlauf abwarten müssen. Chodorkowski hat sich zurückgehalten. Er hat deutlich gemacht, dass er sich um seine privaten Dinge kümmern will. Gemäss der Presse wird er sich vielleicht für Gefangene in Russland einsetzen. Man wird also abwarten müssen, ob er sich ins Privatleben zurückzieht oder wieder politisch aktiv wird.
Dieser Einsatz für politische Gefangene in Russland: Könnte nicht genau das ein Thema sein, das Moskau nicht gefällt, und das deshalb die Beziehungen zur Schweiz belastet?
Das wäre theoretisch denkbar. Aber man muss jetzt zuerst beobachten, wie sich das konkret auswirkt. Chodorkowski hat in seinen Aussagen sehr deutlich gemacht, dass er jetzt erst einmal die Familie ins Zentrum setzt: Seine Zwillingssöhne, die in der Schweiz sind, und seine Ehefrau. Und er wird sich sicher um die Rechte an seinem Vermögen kümmern müssen. Was dann noch bleibt an Energie, um seine früheren Aussagen, die er im Gefängnis machte, einzulösen, wird man sehen müssen. Aber im Moment zumindest gibt es keine Gefährdung des Verhältnisses Schweiz-Russland.
Rechnen Sie damit, dass Russland noch auf die Schweizer Politik zukommt in dieser Sache?
Kaum auf einem hohen und offiziellen Niveau. Wenn man die diplomatischen Gebräuche kennt, weiss man, dass der russische Botschafter in der Schweiz sicher verfolgen wird, wie sich Chodorkowski weiterentwickelt. Man wird sehen müssen, ob dieser überhaupt in der Schweiz bleibt. Das ist ja derzeit noch völlig unklar.
Wurden Sie als Präsident der APK noch nicht konkret angegangen oder mussten sich mit dem Fall beschäftigen in den letzten Tagen?
Bisher nicht. Zumindest nicht auf parlamentarischer Ebene. Es ist aber jedem Kommissionsmitglied unbenommen, entsprechende Fragen zu stellen. Ich kann mir vorstellen, dass an einer der kommenden Sitzungen die Frage des weiteren Verlaufes und der Position der Schweiz in dieser Angelegenheit aufgebracht wird. Im Moment ist das aber noch kein Thema.
Das Gespräch hat SRF-Redaktor Michael Bolliger geführt.