Anna Sommer ist schwerstpflegebedürftig und wohnt im Heim Blumenau in Bauma im Zürcher Tösstal. Als sie vor zwölf Jahren an Alzheimer erkrankte, wurde eine immer intensivere Betreuung nötig. Die Frau zog vom Kanton Tessin ins Heim in den Kanton Zürich. «Mein Vater hat meine Grossmutter hierher geholt, damit wir sie häufiger besuchen können», sagt Enkelin Nina Sommer. Zu Beginn sei der Heimaufenthalt der Grossmutter finanziell kein Problem gewesen. Doch dann trat vor vier Jahren die neue Pflegefinanzierung in Kraft.
Damit war auf einen Schlag unklar, ob der Kanton Tessin oder der Kanton Zürich für den Heimaufenthalt mitzahlen muss. Bis heute seien so Kosten von über 20‘000 Franken offen geblieben, sagt Nina Sommer. «Für meine Familie und mich ist das eine schwierige Situation.»
Welcher Kanton bezahlt?
Verursacht wird diese Situation durch eine Gesetzeslücke bei der Finanzierung der Pflegekosten. Gemäss den Vorschriften müssen die Krankenkassen pro Tag maximal 108 Franken übernehmen. Die Heimbewohner selbst zahlen höchstens 21.60 Franken. Den Rest müssen die Kantone und Gemeinden finanzieren. Im Gesetz bleibt allerdings offen, welcher Kanton bezahlen muss, wenn jemand wie Anna Sommer in ein ausserkantonales Heim ziehen möchte.
Felix Graf, Leiter des Heims Blumenau in Bauma, kritisiert die Gesetzeslücke: «In der Schweiz gibt es im Heimbereich 26 verschiedene Systeme, was für uns einen grossen bürokratischen Aufwand bedeutet.» Im Fall von Anna Sommer bezahle der Kanton Tessin zwar die eigenen Tarife. Diese seien jedoch tiefer als jene in Zürich. Damit würden über 20 Franken pro Tag nicht gedeckt. «Das kann es nicht sein.»
Widerspruch zur Niederlassungsfreiheit
Die Familie Sommer hat Glück: Das Heim kommt selbst für die offenen Kosten auf. Dieses Glück haben längst nicht alle Heimbewohner, weiss Rechtsprofessor Ueli Kieser. Meist wolle das Heim die Kosten nicht berappen, und die Person könne deshalb nicht in das gewünschte Heim eintreten. Wenn jemand nicht dort wohnen könne, wo er möchte, sei das ein grosses Problem: «Das widerspricht der Niederlassungsfreiheit.»
FDP-Ständerätin Christine Egerszegi hat sich dem Problem angenommen. Zusammen mit Ratskollegen hat sie einen Lösungsvorschlag ausgearbeitet, der am 1. September in die ständerätliche Gesundheitskommission kommt. «Ältere Menschen dürfen nicht zwischen Stuhl und Bank fallen», sagt Egerszegi gegenüber «10 vor 10». Der Kanton, in dem die Person zuletzt Steuern bezahlt habe, müsse die Restkosten übernehmen. Für Anna Sommer, die vom Tessin in ein Zürcher Heim zog, müsste damit weiterhin der Kanton Tessin bezahlen.
Nicht nur, weil es schöner ist
Eine Einschränkung gibt es im Vorschlag von Egerszegi und ihren Ständeratskollegen: Grundsätzlich solle der Herkunftskanton nur die eigenen Pflegetarife bezahlen, also zum Beispiel der Kanton Tessin die Tessiner Ansätze. «Wenn jemand nur in einen anderen Kanton in ein Heim will, weil es dort schöner ist, soll er die Mehrkosten selbst bezahlen», sagt Egerszegi. Wenn aber jemand für den Kantonswechsel einen medizinischen oder sozialen Grund habe, müsse der Herkunftskanton für die höheren Kosten aufkommen. Bei Anna Sommer hätte das Tessin also die höheren Zürcher Tarife zu bezahlen.