Der Bundesrat hat sich auf ein Konzept zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative geeinigt. Dieses sieht eine zahlenmässige Begrenzung der Zuwanderung vor, wie dies im neuen Verfassungsartikel gefordert wird, den das Volk am 9. Februar angenommen hat. Justizministerin Simonetta Sommaruga sagte vor den Medien in Bern, dass man bei der Umsetzung nahe am Verfassungstext bleiben werde.
Hier die wesentlichen Punkte des Umsetzungskonzepts des Bundesrates:
Kontingente ab vier Monaten Dauer
Ab Februar 2017 werden alle Aufenthaltsbewilligungen über vier Monate Dauer kontingentiert. Auch Kurzaufenthalts-Bewilligungen von 4 bis 12 Monaten werden begrenzt. Das soll verhindern, dass die Kontingente für einen dauerhaften Aufenthalt durch eine Bewilligung für einen Kurzaufenthalt unterlaufen werden können.
Die Höchstzahlen und Kontingente legt der Bundesrat fest. Er wird dazu die Zahl offener Stellen oder die Arbeitslosenquote berücksichtigen. Weil die Umsetzung von Bund und Kantonen gemeinsam erfolgt, stützt sich der Bundesrat auch auf die Bedarfsmeldungen der Kantone.
Zusätzlich werden auch Analysen eines beratenden Gremiums hinzugezogen, in dem Migrations- und Arbeitsmarktbehörden vertreten sind. Zudem haben die Sozialpartner ein Mitspracherecht.
Limite bei Grenzgängern
Gemäss dem neuen Verfassungsartikel wird auch die Zahl der Grenzgänger kontingentiert. Die Kantone können weitergehende Einschränkungen zum Schutz des regionalen Arbeitsmarktes vorsehen. Dies berücksichtigt die unterschiedlichen Situationen und Bedürfnissen der Regionen.
Dokumentation
Inländervorrang
Der vorgesehene Inländervorrang, also eine bevorzugte Behandlung der Schweizer bedeutet, dass für den Arbeitsmarkt das Potenzial der Arbeitskräfte im Inland gefördert und besser ausgeschöpft wird. Mario Gattiker, Direktor des Bundesamts für Migration, erklärt das Vorgehen, «indem der Bundesrat eruiert, wie viele offene Stellen es gibt und wie viel Potenzial vorhanden ist durch frisch ausgebildete Arbeitskräfte.»
Verzicht auf Reduktionsziel
Eine fixe Zahl bei der Zuwanderung will der Bundesrat nicht festlegen. Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage könnte so nicht mehr über die Kontingente gesteuert werden. Dieses Vorgehen hält der Bundesrat mit dem Verfassungstext als vereinbar, weil dieser ebenfalls keine Höchstzahl definiert.
Vorteile für Bürger aus EU- und EFTA-Staaten
Für die Zuwanderung von Bürgern aus EU- und EFTA-Staaten sollen weniger strenge Regeln gelten als für Zuzügler aus anderen Ländern. Sie würden auch dann zugelassen, wenn es sich bei ihnen nicht um Spezialisten handelt.
Nie mehr Saisonnierstatut
Bei der geplanten Zulassungsregelung werden Kurzaufenthalte bevorzugt. Dadurch besteht die Gefahr, dass viele kurzzeitige und prekäre Arbeitsverhältnisse vor allem in strukturschwachen Branchen entstehen könnten. Diese Erfahrungen hat die Schweiz bereits früher mit dem Saisonnierstatut gemacht. Die damals entstandenen Integrations-Probleme müssten vermieden werden.
Familiennachzug gewährleistet
Zugewanderten Personen soll keine andere Lebensform aufgezwungen werden, als sie für die einheimische Bevölkerung akzeptierbar wäre.
Das Saisonnierstatut untersagte damals grundsätzlich einen Familiennachzug für die in der Schweiz arbeitenden ausländischen Personen. Das Verbot führte zu erheblichen Problemen mit zerrissenen Familien oder illegalen Aufenthalten. Für Bundesrätin Sommaruga ist klar: «Es darf keine versteckten Kinder geben.»
Keine Kontingente für Asylbewerber
Für Asylbewerber soll es keine Kontingente geben, sagt Sommaruga. Sie gehörten nicht zur festen Wohnbevölkerung, weil deren Aufenthalt während des Asylverfahrens nur vorübergehend ist. Als zentrales Element für eine raschere Behandlung der Asylanträge soll auch der Asylbereich neu strukturiert werden.
Allerdings werde es Kontingente geben für anerkannte Flüchtlinge und für vorläufig Aufgenommene, weil diese länger blieben. Der Bundesrat wolle die Kontingente aber anpassen, sollten sie ausgeschöpft sein. Man wolle niemanden wegschicken, der an Leib und Leben bedroht ist.
Zündstoff beim Freizügigkeitsabkommen
Weil eine Einschränkung der Zuwanderung nicht mit dem geltenden Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit der Europäischen Union vereinbar ist, will der Bundesrat dieses neu verhandeln, wie es der Verfassungsartikel vorschreibt.
Das Revisionsbegehren zum FZA an die Europäische Union erfolge formlos, sagte die Justizministerin. Es sei ein Brief an die EU mit der Feststellung, dass die neue Verfassungsbestimmung der Schweiz unvereinbar sei mit der Nichtdiskriminierung der Europäer wegen dem Inländervorrang und den Zuwanderungs-Kontingenten.
Parallel zum innenpolitischen Prozess werde damit auch ein europapolitischer Prozess in Gang gesetzt, sagte Bundesrätin Sommaruga. «Wir wissen bei beiden nicht, wo wir landen werden.» Innenpolitisch sei ein Referendum oder eine neue Initiative möglich, aussenpolitisch wisse man nicht, wie die EU reagieren werde.
Zeitachse des Bundesrats
- Bis Ende Jahr: Vernehmlassungsvorlage für die gesetzliche Umsetzung der Masseneinwanderung-Initiative
- Vor der Sommerpause: Revisionsbegehren an die EU-Kommission
- Im Herbst: Entwurf des Verhandlungsmandats für den Bundesrat mit der EU-Kommission mit Konsultation des Parlaments und der Kantone
- Ebenfalls im Herbst: Auslegeordnung der innen- und aussenpolitischen Szenarien für die Schweiz