Von der Financial Times bis hin zur Süddeutschen Zeitung: Weltweit verfolgen Medien das Verfahren vor dem Zürcher Bezirksgericht mit grosser Aufmerksamkeit. Am Mittwoch stehen der Chef der russischen Gazprombank in Zürich und drei Angestellte vor Gericht.
Konnte Musiker Roldugin Millionen verdienen?
Den Angeklagten wird vorgeworfen, ihre Sorgfaltspflichten verletzt zu haben. Im Zentrum steht ihre Geschäftsbeziehung zum Musiker Sergei Roldugin. Er gilt als enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Trotz solcher Hinweise trafen die Banker laut Staatsanwaltschaft offenbar keine weiteren Abklärungen zu ihrem Geschäftspartner. Zwischen 2014 und 2016 eröffneten und führten die Angeklagten zwei Firmenkonten. Darauf lagerten Vermögenswerte von knapp 50 Millionen Franken. Roldugin war als wirtschaftlich Berechtigter aufgeführt.
Laut der Zürcher Staatsanwaltschaft hatte Roldugin aber keine solche Rolle inne. Und dies hätten die Angeklagten anhand verschiedener Fakten auch merken müssen.
So war Roldugin in den Bankunterlagen nur als Musiker aufgeführt. Die angegebenen Vermögensverhältnisse und Geldflüsse wären in diesem Fall nicht plausibel, so die Staatsanwaltschaft. Gegenüber der «New York Times» sagte Roldugin in einem früheren Interview, er sei kein Geschäftsmann. Und er besitze auch keine Millionen. Allein aufgrund solcher Informationen hätten die Banker laut Anklage weitere Abklärungen treffen müssen.
Der Patenonkel von Putins Tochter
Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass Roldugin ein Strohmann gewesen sei. Mutmasslich seien Gelder des russischen Polit-Establishments auf die Konten geflossen. Namentlich erwähnt die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift Wladimir Putin: Roldugin habe laut Medienberichten Zugang zum innersten Kreis des Präsidenten, er sei sogar Patenonkel von Putins Tochter.
Gemäss Staatsanwaltschaft ist bekannt, dass Putin offiziell nur ein Einkommen von gut 100'000 Franken hat. Tatsächlich jedoch verfüge er über «enorme Vermögenswerte, welche von ihm nahestehenden Personen verwaltet werden». Auch hier hätten die Angeklagten hellhörig werden müssen, findet die Staatsanwaltschaft.
Wie die Behörde weiter ausführt, hatte im Hintergrund die russische Bank Rossija grossen Einfluss: Sie soll die Kontoeröffnungen vermittelt haben. Rossija sei «die Bank der führenden Politiker Russlands», heisst es in der Anklageschrift. Der Mehrheitsaktionär gelte als Kassenwart Putins. Es gäbe deshalb «erhebliche Zweifel», dass die Angaben Roldugins stimmen.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft fordert für alle Angeklagten eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Die vier Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Ob das Bezirksgericht Zürich sein Urteil am Mittwoch schon fällt, ist offen. Sicher ist aber, dass die mediale Aufmerksamkeit gross ist: Auch Journalistinnen und Journalisten aus dem Ausland haben sich zur Verhandlung angemeldet. «Wir werden die Verhandlung auf jeden Fall in einen zweiten Saal übertragen müssen», schreibt das Bezirksgericht Zürich auf Anfrage.