Mehr Geld für die Armee, weniger für die Entwicklungszusammenarbeit – das will die Finanzkommission des Nationalrats. Sie will die Gelder für die internationale Zusammenarbeit (IZA) um 250 Millionen Franken kürzen. Aussenminister Ignazio Cassis warnt vor diesen Kürzungen, das aktuelle System könne so nicht aufrechterhalten werden. Auch die Entwicklungsprofessorin Isabel Günther bezeichnet die Einsparungen als massiv.
Denn das effektive Minus nächstes Jahr beläuft sich laut Günther auf 650 Millionen Franken: Rund 400 Millionen Franken für den Ukraine-Aufbau werden im kommenden Jahr auch aus diesem IZA-Budget entnommen. Zusammen ergibt das jährlich rund 20 Prozent weniger als in den letzten Jahren. Das habe Einfluss auf Bildung, Gesundheit, Ernährung und Wasserversorgung von Menschen in Armut weltweit. «20 Prozent weniger sind mehrere Millionen Menschenleben», sagt die ETH-Professorin Günther.
Wirkung von Entwicklungsprogrammen
Die investierte Geldmenge allein entscheidet jedoch nicht über die Wirksamkeit. Günther erklärt, auf welchen drei Ebenen Entwicklungsprojekte überprüft werden:
- Erreichte Menschen: Wie viele Menschen erreicht man in den verschiedenen Ländern?
- Effektivität: Welche Strategien funktionieren, um Armut zu bekämpfen? Wie lernen Kinder in der Schule besser? Mit wie viel Geld kann man Armut reduzieren? Günther spricht hier von «unterschiedlichen Möglichkeiten mit unterschiedlichem Return».
- Globale Wirkung: Welchen Einfluss hat die gesamte internationale Entwicklungszusammenarbeit, inklusive der Schweiz, auf die Entwicklungsländer? Auf der Programmebene könne man mit einem Schweizer Franken viel erreichen. Aber die Gesamtsumme aller Entwicklungsgelder sei im Vergleich zu anderen Finanzströmen immer noch sehr gering.
International gilt als Richtwert für die Entwicklungszusammenarbeit 0.7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – die Schweiz investiert aktuell nur rund 0.42 Prozent, sagt die Entwicklungsökonomin. Die Politik warnt bereits, dass die geplanten Kürzungen auch dem Ansehen der Schweiz schaden könnten.
Internationale Solidarität ist Teil des Schweizer Selbstverständnisses.
Das sieht auch Isabel Günther so. Bei ärmeren Ländern könnte die Schweiz nicht mehr als verlässliche Partnerin gelten. Bei reichen Ländern könnte die Schweiz signalisieren: «Wenn die Schweiz als eines der allerreichsten Länder das Zeichen gibt, wir sparen bei den Allerärmsten, kann das Auswirkungen auf andere reiche Länder haben.»
Unterstützung von Schweizer Bevölkerung
Die ETH Zürich macht Studien dazu, wie die Menschen in der Schweiz die Entwicklungszusammenarbeit beurteilen. Laut ETH-Umfragen wünschen 80 Prozent der Befragten eine Beibehaltung oder Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. «Es scheint, dass die Schweizer Bevölkerung die Wirksamkeit der Entwicklungsarbeit spürt. Diese internationale Solidarität ist Teil des Schweizer Selbstverständnisses», so die ETH-Professorin.