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Kantone Zürich und Bern wollen Inhaftierte in der Untersuchungshaft besser auf die Zeit danach vorbereiten
Aus Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 25.06.2024. Bild: Keystone / Ennio Leanza
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Schweizer Justiz Zürich und Bern wollen Inhaftierte in der U-Haft besser betreuen

Die Kantone Zürich und Bern testen bessere Bedingungen für Inhaftierte. Sie setzen auf mehr Stressmanagement und Gespräche.

Sie waren 23 Stunden am Tag eingesperrt und durften nur einmal pro Woche duschen: In der Untersuchungshaft wurden Inhaftierte bis vor Kurzem derart restriktiv behandelt, dass der Kanton Zürich von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert worden war.

Heute ist das anders: Die 1200 Personen, die pro Jahr im Kanton Zürich in die Untersuchungshaft kommen, dürfen nun täglich acht Stunden ausserhalb der Zelle verbringen und haben Kontakt zu anderen Gefängnisinsassen. Die Haftbedingungen sollen sich künftig noch weiter verbessern

40 Prozent der Insassen machen freiwillig mit

Deswegen läuft in den Kantonen Zürich und Bern seit Oktober 2023 ein Modellversuch in elf Untersuchungsgefängnissen. Das Programm ist freiwillig. Bis jetzt haben sich 40 Prozent der Inhaftierten bereiterklärt, mitzumachen, sagten die Verantwortlichen am Dienstag vor den Medien.

Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr und ihr Berner Amtskollege Philippe Müller
Legende: Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr und der Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller stellen den Modellversuch der neuen Untersuchungshaft vor den Medien vor. Keystone/Ennio Leanza

Zwar bleibe die Untersuchungshaft eine Haft, sagte die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP). Schliesslich gehe es darum, eine Wiederholungs- oder Fluchtgefahr zu verhindern: «Jedoch muss beachtet werden, dass die Unschuldsvermutung gilt. Deshalb steht die Wiedereingliederung im Vordergrund.»

Arbeitsplatz und Wohnung möglichst behalten

Die Inhaftierten sollen ihre Kontakte so gut wie möglich aufrechterhalten können, ergänzt der Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP): «Denn sollten sie wieder freikommen, sollen sie möglichst dort fortfahren können, wo sie aufgehört haben.»

Türe mit der Aufschrift Eintrittszimmer am Ausbildungsgefängnis Meilen
Legende: Beim Eintrittsgespräch ist der Sozialdienst dabei und bespricht mit den Inhaftierten ihre Lebenssituation. Keystone/Ennio Leanza

Es soll also verhindert werden, dass Insassen der Untersuchungshaft ihren Arbeitsplatz oder ihre Wohnung verlieren. Dabei helfe ein Gespräch mit dem Sozialdienst beim Haftantritt: «Wenn wir feststellen, dass die Miete nicht mehr bezahlt werden kann, schauen wir mit dem Inhaftierten, ob wir eine Lösung finden», sagt Projektleiter Stefan Tobler. Solche Massnahmen geschehen immer in Absprache mit der Staatsanwaltschaft. Denn die laufenden Ermittlungen dürften nicht gestört werden.

Erste Ergebnisse werden 2028 erwartet

Ein weiteres Programm unterstützt die Inhaftierten dabei, mit Stress umzugehen. Auch die Angestellten in den Gefängnissen werden im Rahmen des Modellversuchs geschult, in schwierigen Situationen besser auf die Inhaftierten eingehen zu können. Insgesamt kostet das Projekt 12.8 Millionen Franken. Unterstützt wird es vom Bundesamt für Justiz, denn erfolgreich erprobte Massnahmen sollen auf andere Kantone übertragen werden.

Blick in eine Zelle des Ausbildungsgefängnisses in Meilen
Legende: Trotz Haft sollen Insassen etwa den Kontakt zur Familie aufrechterhalten und möglichst den Job und die Wohnung behalten können. Keystone/Ennio Leanza

Nach dem ersten Jahr des Versuchs seien die Rückmeldungen positiv, sagt Projektleiter Stefan Tobler: «Jemand hat sich etwa wegen des Programms entschlossen, sich mit seinem Suchtproblem auseinanderzusetzen.» 150 Personen hätten bereits an einer psychologischen Beratung teilgenommen.

Eine systematische Auswertung liege allerdings noch nicht vor. Die ETH und die Universität Zürich begleiten das Projekt wissenschaftlich. Erste Ergebnisse erwarten die Verantwortlichen 2028.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 25.6.2024, 12:03 Uhr ; 

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