Warum steht die Schweiz unter Druck? Deutschland und zwei weitere Staaten möchten in der Schweiz gekauftes Kriegsmaterial weitergeben an die Ukraine. Der Bundesrat verweigert aber seine Zustimmung und blockiert so die Lieferungen. Der Druck auf die Schweiz ist sehr gross: Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck warf der Schweiz laut der «NZZ» gar vor, sich mitschuldig zu machen an den Opfern der russischen Aggression.
Um welche Waffen geht es? Deutschland möchte der Ukraine 12'400 Schuss 35-mm-Munition für den Gepard-Flugabwehrpanzer weitergeben. Dänemark will in der Schweiz hergestellte Piranha-III-Schützenpanzer liefern. Spanien schliesslich beantragte den Export von zwei Schweizer Flugabwehrkanonen Richtung Ukraine.
Warum sagt der Bundesrat Nein? Dem Vernehmen nach ist einzig Verteidigungsministerin Viola Amherd für die Weitergabe. Die anderen sechs Bundesrätinnen und Bundesräte stemmen sich dagegen. Das sind ihre wichtigsten Argumente:
- Das Kriegsmaterialgesetz verbietet direkte Lieferungen an Kriegsländer. Daraus ergebe sich, dass auch die Weitergabe von früher exportiertem Material an die Ukraine nicht zulässig sei.
- Das Neutralitätsrecht schreibt vor, dass die Schweiz alle Kriegsparteien gleich behandeln muss. Würde die Schweiz eine Weitergabe an die Ukraine bewilligen, müsste sie dies auch Russland zugestehen.
Warum kommt jetzt Bewegung in die Sache? Die FDP, die Grünliberalen und die Mitte-Partei sagen seit Monaten: Waffen-Weitergaben sollen möglich werden. Reelle Chancen hat ein Kurswechsel aber erst seit dem Meinungsumschwung an der SP-Spitze vor wenigen Wochen: Seither ist im Parlament ein Richtungswechsel theoretisch möglich. Immer noch dagegen sind SVP und Grünen – sie argumentieren mit der Neutralität.
Beschliesst das Parlament einen Kurswechsel? Das ist möglich. Zwei Dinge machen die Sache aber kompliziert:
- Politisches Jekami: In den letzten Monaten und Wochen wurden sechs (!) Vorstösse mit sechs verschiedenen Lösungen für eine Waffen-Weitergabe lanciert.
- Abweichler: Die Parteien sind nicht geschlossen in der Waffenfrage. Vor allem in der SP tragen nicht alle den neuen Kurs mit.
Der wohl chancenreichste Vorschlag sieht so aus: Bestimmte Länder, darunter die EU-Staaten, dürfen Schweizer Kriegsmaterial fünf Jahre nach dem Kauf theoretisch weitergeben. Eine Weitergabe an ein Kriegsland wie die Ukraine wäre aber nur möglich, wenn der UNO-Sicherheitsrat oder eine Zweidrittelmehrheit der UNO-Generalversammlung formell festgestellt hätten, dass das Kriegsland von seinem Selbstverteidigungsrecht Gebrauch macht.
Wie rasch entscheidet das Parlament? Nicht rasch, denn die Krux ist: Der chancenreichste Vorstoss kommt vorerst gar nicht ins Plenum von National- und Ständerat. Zuerst müssen die Sicherheitspolitikerinnen und -politiker einen fertigen Gesetzestext ausarbeiten. Frühestens nächsten Dezember könnten im Rat erste Entscheide fallen. Das heisst: Eine schnelle indirekte Waffenhilfe der Schweiz ist so gut wie ausgeschlossen.
Verträgt sich eine Lockerung mit der Neutralität? Das wäre fraglich. Knifflig bei mehreren der kursierenden Lösungsvorschläge bleibt die Frage der Gleichbehandlung: Dass also die Schweiz Wiederausfuhren an beide Kriegsparteien bewilligen müsste – was niemand will. Heikel sind auch Lösungsvorschläge, die Waffen-Weitergaben abhängig machen von Beschlüssen der UNO-Generalversammlung. Solche Beschlüsse taugen laut Völkerrechtlern nicht zur Legitimierung eines solchen Waffen-Entscheids.