In der Schweiz ist Weizen das meistproduzierte Getreide. Man braucht es etwa für Brotmehl und für Tierfutter. Die meisten Weizenfelder dürften seit Ende vergangener Woche nun abgeerntet sein. Die Zwischenbilanz sieht schlecht aus: Die Erträge sind bezüglich Menge und Qualität weit unter dem Durchschnitt, wie Fachzeitungen für Bauern berichten. Schuld sei unter anderem das feuchtwarme Frühlingswetter.
«Die Situation ist frustrierend und ernüchternd für die Landwirtinnen und Landwirte. Wir müssen von einer Missernte sprechen», sagt Corinne Mühlebach, Unternehmerin und Präsidentin des Verbands der Getreidesammelstellen der Schweiz.
Bis zu 60 Prozent Verlust
Corinne Mühlebach ist zudem Leiterin ihres Familienunternehmens im Aargau, das eine Getreidesammelstelle und eine Mühle umfasst. Ein solches Jahr habe sie noch nie erlebt: «Für unsere Sammelstelle gehen wir beim Brotgetreide von einer 50 Prozent Ertragsausfall-Menge aus. Bei anderen Sammelstellen reichen die Ertragsausfälle von 30 bis 60 Prozent.»
Noch steht die definitive Bilanz aus. Schon jetzt sei aber klar: Die Weizenernte sei in der ganzen Schweiz schlecht, sagt Corinne Mühlebach.
Wir haben bis zu 50 Prozent Schmachtkörner. Aus diesen lässt sich kein Mehl gewinnen.
Die Probleme sind je nach Region unterschiedlich: In den einen ist der Pilzbefall besonders stark, in anderen sind es Blattkrankheiten, die zu schlecht ausgereiften Körnern führen. Die Hälfte der Weizenkörner, die Bauern in ihre Sammelstellen geliefert haben, hat eine ungenügende Qualität für Brotweizen. Die Körner werden nun zu Futterweizen deklassiert. «Wir haben bis zu 50 Prozent Schmachtkörner. Das sind Körner, die nicht richtig ausgereift und klein sind. Aus diesen lässt sich kein Mehl gewinnen», erklärt Mühlebach.
Es gebe sogar Sammelstellen, die einen Teil der Körner direkt in die Biogas-Anlage liefern müssen. Bei diesen habe der Pilzbefall zu Giftstoffen geführt, die in dieser Konzentration auch für Tiere schädlich seien.
Wenig Sonnenlicht und feuchtwarmes Wetter
Dario Fossati bestätigt die Aussagen von Corinne Mühlebach. Er züchtet Weizen im eidgenössischen Forschungszentrum Acroscope am Standort Changins im Kanton Waadt, insbesondere Sorten, die gegen Pilzbefall und Blattkrankheiten resistenter sind.
Die vielen Regentage führten zu einem Mangel an Sonnenlicht. Das ist kritisch für das Wachstum der Pflanzen.
Die aktuelle Weizenernte sei eine der schlechtesten Ernten in den vergangenen 35 Jahren, stellt Fossati fest. Ein Grund sei das feuchtwarme Wetter dieses Frühlings. So konnten sich Pilze und Blattkrankheiten bilden.
Zudem habe während einer entscheidenden Phase des Weizenwachstums das Licht gefehlt. «Das Licht ist die Quelle der Energie der Pflanzen. Die vielen Regentage führten zu einem Mangel an Sonnenlicht. Das ist kritisch für das Wachstum der Pflanzen», erläutert Fossati.
Wetterschwankungen als Folgen des Klimawandels
Dario Fossati befasst sich seit 40 Jahren mit Weizen. Fast überall auf der Welt werde dieses Getreide angebaut. Daher seien Sorten für verschiedene Klimata erhältlich. Doch seit einigen Jahren gebe es auch in der Schweiz extremere und unberechenbare Wettersituationen. «Das grösste Problem sind die Schwankungen. Diese machen Prognosen für das nächste Jahr schwierig, welche Sorte man am besten anpflanzen soll.»
Solche Schwankungen sind laut Forschenden eine Folge des Klimawandels. Dario Fossati schliesst darum nicht aus, dass sich solche Missernten wie die 2024 wiederholen könnten.