Wenn Zwei sich streiten, herrscht beim Dritten wenig Freude. Die Zwei: die Grossmächte USA und China; der Dritte: die Schweiz. Sie droht ins US-chinesische Ringen um Einfluss und Macht hineingezogen zu werden.
Denn die USA erwarten Bündnistreue auch von Ländern, die sich gar nicht als Verbündete verstehen. China seinerseits erwartet Nichteinmischung, mischt sich aber – wie die USA – selber gerne in die Politik anderer Länder ein.
Dieses «konfliktgeladene Duopol China-USA» hatte den SVP-Nationalrat Yves Nidegger im Juni vergangenen Jahres veranlasst, beim Bundesrat eine Analyse in Auftrag zu geben. Jetzt, neun Monate später, hat der Bundesrat die «China-Strategie 2021–2024» verabschiedet. Es ist das erste Mal überhaupt, dass die Schweiz hochoffiziell eine China-Strategie zu Papier bringt.
Schweiz als Vorreiterin
Faktisch ist die Schweiz mit China seit Jahrzehnten eng verbunden. Bereits 1950 anerkannte der Bundesrat – als eine der ersten westlichen Regierungen – die Volksrepublik China. 2014 trat das chinesisch-schweizerische Freihandelsabkommen in Kraft. Auch damit war die Schweiz Vorreiterin.
Die Losung lautete: Wandel durch Handel. Wenn der Westen mit China Handel treibt, wandelt es sich allmählich in ein Land mit westlichen Werten: Demokratie, Menschenrechte, Rechtssicherheit. Allen voran FDP-Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann weibelte mit diesem Argument für engere Beziehungen mit China.
Der Handel entwickelt sich prächtig. Das einst bitterarme China ist heute der drittgrösste Handelspartner der Schweiz und eine von drei Wirtschaftssupermächten, neben den USA und der EU.
Wandel blieb aus
Der prognostizierte Wandel blieb freilich aus. China ist heute mehr denn je unter dem Diktat der Kommunistischen Partei und ihres Vorsitzenden Xi Jinping. Xi hat seinem Land eine neue, ambitionierte Aussenpolitik verpasst.
Nicht mehr nur wirtschaftlich, sondern auch technologisch, politisch und militärisch stellt China die Führungsrolle der USA in Frage. Dort haben Politikerinnen und Politiker von links bis rechts China als grösste aussenpolitische Herausforderung identifiziert – als einzige Nation, die langfristig das Potenzial hat, die USA zur Nummer 2 zu degradieren.
Der neue US-Präsident Joe Biden will das verhindern, indem er Staaten rund um den Erdball als Verbündete gegen China zu gewinnen versucht: Entweder, so lautet die neue Losung, ihr seid mit uns, mit dem demokratischen Amerika – oder ihr seid auf der Seite des diktatorischen Chinas. Zum Beispiel wollen die USA ihre Verbündeten überzeugen, chinesische Tech-Firmen wie Huawei von Aufträgen auszuschliessen.
Ein Stück Realitätsflucht
Dass die USA in der Lage sind, ein Land aus politischen Gründen wirtschaftlich zu isolieren, haben sie im Falle Irans bewiesen. Freilich spielt China in einer anderen Liga, eine Totalisolation würde die Weltwirtschaft erschüttern. Trotzdem wird der Druck der USA auch auf Staaten wie die Schweiz wachsen. Und China seinerseits wird sehr genau beobachten, welche Wirkung dieser Druck entfaltet. Einen Leitfaden für die Schweizer Politik soll die neue China-Strategie des Bundesrats liefern.
Eine Blockbildung liege «nicht im Interesse» der Schweiz, heisst es darin lapidar, der Bundesrat verfolge eine «eigenständige» China-Politik. Ein hehres Ziel, aber auch ein gutes Stück Realitätsflucht: Denn tatsächlich hat die Blockbildung bereits begonnen, und eigenständige Politik wird auf eine harte Probe gestellt.