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Session Diebstahl am eigenen Volk soll nicht verjähren

Kleptokraten und Anwärter auf den zweifelhaften Titel aufgepasst: Der Ständerat widersetzt sich beim Potentatengelder-Gesetz der grossen Kammer – die «Lex Mubarak» zeigt wieder Zähne.

Die «Lex Mubarak»

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Im Zuge des Arabischen Frühlings erliess der Bundesrat Anfang 2011 mehrere direkt auf die Verfassung gestützte Vermögenssperren. Im März 2011 nahmen die Räte eine Motion an, die den Bundesrat verpflichtet, dafür eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Der Gesetzesentwurf regelt die Sperrung, Einziehung und Rückerstattung von Potentatengeldern.

Die Schweiz hat viele Gesichter. Da gibt es das Land der Seen und Berge, in dem Milch und Schokolade fliessen. Weniger klischiert, dafür historisch verbrieft, ist die humanitäre Schweiz, die bis zu IKRK-Gründer Henry Dunant zurückreicht. Und da gibt es den Schweizer Finanz- und Bankenplatz – tief in die DNA des helvetischen Erfolgsmodells eingeschrieben, und am Anfang manch wenig ruhmreichen Kapitels Schweizer Zeitgeschichte.

Eines davon endgültig schliessen, und damit die «Reputation unseres Finanzplatzes wahren», will der Bundesrat mit dem Potentatengelder-Gesetz. Mit ihm sollen Gelder ehemaliger Diktatoren rascher eingezogen und an geprellte Staaten zurückgeführt werden können; die «Lex Mubarak» soll Lücken der «Lex Duvalier» von 2011 schliessen.

Mobilmachung der Weissgeldstrategen

Und das nach Möglichkeit schnell: denn der Arabische Frühling spülte neben unterdrücktem Freiheitsdrang auch verschleppte Volksvermögen in Milliardenhöhe an die Oberfläche.

Der Bundesrat reagierte prompt und erliess 2011 mehrere Vermögenssperren per Notrecht; auch, um rufschädigenden Attacken auf den «Piratenhafen Schweiz» zuvorzukommen. Nun will der Bundesrat die geltende Praxis ins ordentliche Recht überführen – was im Grundsatz von den meisten Parteien mitgetragen wird.

Audio
Ständerat: Potentatengelder rascher zurückgeben
aus Rendez-vous vom 24.09.2015. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 51 Sekunden.

Doch der Teufel steckt im Detail. Eine bürgerliche Allianz im Nationalrat versetzte der Mobilmachung der Weissgeldstrategen in der Sommersession einen argen Dämpfer. Sie pochte darauf, dass Gelder nur eingezogen werden können, wenn die Straftaten der Potentaten nicht verjährt sind. Und definierte den Kreis ihnen nahe stehender, und damit verfolgbarer, Personen enger.

Insbesondere die Verjährung war ein Nackenschlag für den Bundesrat. Denn erfahrungsgemäss können sich die Fälle jahrzehntelang hinziehen. Im ungünstigsten Szenario müsste die Schweiz gesperrte Gelder an gestürzte Machthaber zurückgeben – nach Jahren juristischer Scheingefechte, die einzig der Verschleppung des Verfahrens dienen.

Eine Frage der Moral
Autor: Didier Burkhalter Aussenminister

Die Streitpunkte:

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  • Sollen Potentatengelder vom Rechtsgrundsatz der Verjährung ausgenommen werden?
  • Wer steht Potentaten nahe – und kann ebenfalls belangt werden?

Heute nun kam die Vorlage vor den Ständerat. Dessen Aussenpolitische Kommission hatte sich im Vorfeld für den Entwurf des Bundesrats stark gemacht. Die Regierung durfte sich also berechtigte Hoffnungen machen, dass das Potentatengelder-Gesetz durch die kleine Klammer neue Schlagkraft erhält. Und die Hoffnungen sollten nicht enttäuscht werden.

Aussenminister Didier Burkhalter wandte sich gleich zu Beginn der Debatte an die kleine Kammer: «Die Praxis funktioniert. Jetzt brauchen wir eine Gesetzesgrundlage.» Von der juristischen hievte der Bundesrat die Vorlage dann auf die moralische Ebene: «Es ist eine Güterabwägung zwischen den Wirtschaftsinteressen und den fundamentalen Werten der Schweiz – diese müssen, und sie können in Einklang gebracht werden.»

Denn die Schweiz sei Weltmeister bei der Rückführung von Potentatengeldern; Kritiker sehen diese Vorreiterrolle freilich darin begründet, dass die Schweiz auch führend in deren Anhäufung sei. Was Thomas Minder, den Vater «Abzocker-Initiative», zu seinem Lieblingsthema schweifen liess: «Die Banker müssen endlich aufhören, diese Gelder anzunehmen, um Boni in ihre Kassen zu spülen.»

Kleine Kammer stützt den Bundesrat

Für einmal einig

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Keine Differenz zwischen den Räten gab es bei der Frage, in welchem Mass und welcher Form Informationen an den Herkunftsstaat übermittelt werden sollen. Die Lieferung von Bankdaten soll ausdrücklich verboten werden, wenn die staatlichen Strukturen im Herkunftsland versagen oder die Übermittlung eine Gefahr für das Leben der Betroffenen darstellt.

Burkhalter schloss mit dem Aufruf an die kleine Kammer, auf die Linie des Bundesrats einzuschwenken – damit der Schweiz künftig nicht die Hände gebunden seien. Und der Ständerat zeigte sich weit handzahmer als der Nationalrat. Bei der Verjährung, der gravierendsten Abschwächung durch die grosse Kammer, folgte er widerspruchlos der Position der Regierung: Diebstahl am eigenen Volk soll nicht verjähren.

Zudem folgten die Ständeräte dem Bundesrat auch in einer weiteren strittigen Frage, der loseren Definition von Personen, die Potentaten nahe stehen. Schliesslich winkte der Ständerat die Vorlage mit 41 zu 0 Stimmen durch. Ein heikles Dossier wurde damit ohne nennenswerte Gegenwehr abgenickt – ein voller Erfolg für den Bundesrat. Zumindest für den Moment. Zurück im Nationalrat, bei der Differenzbereinigung, dürfte der Vorlage ein schärferer Wind entgegenwehen.

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