Dutzende Fotos mit lachenden Gesichtern von Kleinkindern zieren die Wände. An eine Stellwand sind farbige Zettel gepinnt – mit Namen von Babys und möglichen neuen Eltern. In der Schweizerischen Fachstelle für Adoption laufen oft die Fäden zusammen, wenn eine Mutter ihr Kind zur Adoption freigibt.
Immer steckten diese Mütter in Notlagen, sagt die Leiterin der Fachstelle, Franziska Frohofer. Ein Teil der Mütter sei viel zu jung. Andere seien psychisch krank und können sich gar nicht wirklich mit dem Kind befassen. Dazu kommen Kriegsvergewaltigungen, wo Frauen mit Kindern schwanger sind, die sie nicht akzeptieren können. «Letzthin hat mir eine Mutter gesagt, dass sie erst im Gebärsaal auf Hinweis der Hebamme realisiert habe, dass sie ein Baby zur Welt bringe.»
Abgebende Mütter gehen nach der Unterschrift sozusagen in der Versenkung unter.
Dass eine Mutter ihr Kind zur Adoption freigibt, kommt aber relativ selten vor: Etwa ein Dutzend Fälle pro Jahr registriert die Fachstelle in der Deutschschweiz zurzeit. Hinter jeder Geschichte steckt ein persönliches Drama - das mit der Adoptionsfreigabe für die leiblichen Mütter oft nicht glücklich endet: Wenn sie etwas über ihr Kind erfahren wollen, stranden sie.
«Abgebende Mütter gehen nach der Unterschrift sozusagen in der Versenkung unter – mit all ihren Themen, die sie haben werden. Heute dürfen sie ja noch gar nicht suchen, sondern müssen warten bis sie gefunden werden», so Frohofer.
Rechtlich haben leibliche Eltern keinen Anspruch auf Auskünfte über ihr Kind. Die Idee hinter diesem Adoptionsgeheimnis: Eine Adoption kann nur gelingen, wenn alle Drähte zu den leiblichen Eltern gekappt werden. Gesetzlich verankert wurde das Adoptionsgeheimnis 1972.
Mütter können nicht vergessen
Nun soll es insofern gelockert werden, als leibliche Eltern in Erfahrung bringen dürfen, wie ihr Kind heisst und wo es wohnt. Das Kind muss aber volljährig und damit einverstanden sein.
Laut Frohofer ist es höchste Zeit. Denn die Vorstellungen hätten sich gewandelt: Zum einen sei heute belegt, dass Adoptivkinder ihre wahre Herkunft kennen sollten, um gesund aufzuwachsen. Zum anderen sei bestätigt, dass Mütter ihre Kinder nicht vergessen, wie man dies früher angenommen habe: «Man dachte, sie könnten einen neuen Start ins Leben machen. So ist es natürlich nicht. Diese Mütter leiden und beschäftigten sich mit dieser Thematik.»
Kinder sollen etwas über ihre Herkunft wissen
Klar ist für die Adptionsexpertin aber, dass Beratung braucht, wer immer sich auf die Suche macht. Oft seien die Begegnungen belastend. Das zeige sich schon heute, wenn adoptierte Kinder ihre Eltern ausfindig machten. Rund 6000 Personen wurden in der Deutschschweiz in den letzten rund 50 Jahren adoptiert. Einige von ihnen wüssten wohl nicht einmal, dass sie Adoptivkinder sind, andere suchten noch immer ihre leiblichen Eltern.
Sie tun dies auch mit Hilfe der Fachstelle, die eigens dafür eine Personensuche anbietet. Eine Suche, die nicht selten traurig endet. Denn oft seien die gesuchten Menschen bereits verstorben
Zur Personensuche – und wer diese teure Dienstleistung bezahlt – sagt auch das revidierte Adoptionsgesetz nichts. Dafür sollten leibliche Mütter neu davon ausgehen können, dass ihre Kinder etwas über ihre Herkunft wissen: Dem Kind die Adoption völlig verschweigen, geht nicht. Die Adoptiveltern müssen ihr Adoptivkind in Kenntnis setzen. Auch das verlangt das neue Gesetz ausdrücklich.