Der Streit um die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative geht weiter. Der Nationalrat hatte sich in der Frühlingssession für eine strikte Version entschieden – aus Angst davor, dass das Volk andernfalls der Durchsetzungsinitiative zustimmen könnte.
Nun hat der Ständerat einen Kontrapunkt gesetzt. Er hat beschlossen, dass Ausländer, die Straftaten begehen, nicht in jedem Fall ausgeschafft werden sollen. In Ausnahmefällen sollen Richter die Möglichkeit haben, bei schweren Härtefällen von einem Landesverweis abzusehen. Damit will die kleine Kammer die widersprüchlichen Verfassungsbestimmungen versöhnen.
Strenger als die Initiative
Denn mit der SVP-Initiative hat das Volk einen Artikel gutgeheissen, wonach straffällige Ausländer das Land automatisch verlassen müssen – unabhängig von den Umständen des Einzelfalls. Dies verträgt sich nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Diese aber ist ein «zentraler Pfeiler des Rechtsstaates», wie CVP-Ständerat Stefan Engler sagte.
Der Ständerat störte sich aber nicht nur daran, dass der Nationalrat dieses Prinzip verletzte. Vielmehr ging die grosse Kammer in ihrer Fassung weit über das hinaus, was die Ausschaffungsinitiative gefordert hatte. Stattdessen hatte sie sich an der Durchsetzungsinitiative orientiert.
«Das Volk ausgehebelt»
Das gehe nicht, fand FDP-Ständerätin Christine Egerszegi: «Die Durchsetzungsinitiative enthält Forderungen, die nie von der Bevölkerung gutgeheissen wurden.» Gerade die SVP, die ständig mit dem Volkswillen argumentiere, heble so die Mitsprache des Volkes aus. Schliesslich hätten sich alleine diejenigen 155‘000 Bürger für die Initiative ausgesprochen, welche sie unterschrieben hätten.
Der Weg des Nationalrats sei «von Angst getrieben», stellte Urs Schwaller (CVP) fest. Die grünliberale Verena Diener warf dem Nationalrat vor, sich aus der Verantwortung zu nehmen und den schwarzen Peter den Richtern zuzuschieben. In der Fassung des Nationalrats seien sie es, die darüber entscheiden müssten, ob im Einzelfall eine automatische Ausschaffung gegen die Verhältnismässigkeit verstosse. Die Variante des Ständerats hingegen schränke das Ermessen der Richter ein, sagte Schwaller. Die Definition, was ein Härtefall sei, werde nicht nach an die Gerichte delegiert.
Gegen Kriminaltouristen
Weil sich der Nationalrat von der Durchsetzungsinitiative hat leiten lassen, führen in seiner Version viel mehr Delikte zu einer Ausschaffung, als das in der ursprünglichen Initiative vorgesehen war. Wiederholungstäter könnten auch wegen weniger schweren Straftaten des Landes verwiesen werden. Und das, selbst wenn sie in der Schweiz aufgewachsen sind und das Land nie betreten haben, in das sie ausgeschafft werden.
Der Ständerat orientierte sich beim Deliktkatalog an der originalen Initiative. Alle Delikte, die darin genannt werden, führen zu einer obligatorischen Ausschaffung, auch Sozialhilfemissbrauch. Nur in einem Punkt geht der Ständerat weiter als der Nationalrat. Er will die nicht obligatorische Landesverweisung wieder einführen. Damit erhielten Richter die Möglichkeit, auch bei leichten Delikten einen Landesverweis zu verhängen, sagte Kommissionssprecher Engler. Das würde es erlauben, etwa Kriminaltouristen auszuschaffen.
Zeichen setzen
In der Debatte standen die Ständeräte Peter Föhn (SVP) und Thomas Minder (parteilos) weitgehend auf verlorenem Posten. So wehrte sich Minder gegen die Härtefall-Klausel und bezeichnete sie als «Hintertür». Die Bürger wollten weg von der «Kuscheljustiz»; da machten sie sich auch keine Gedanken, ob jemand in der Schweiz aufgewachsen sei.
Auch Föhn ortete «Unmut» in der Bevölkerung. Es gelte, ein Zeichen zu setzen. Die Härtefallklausel entspreche nicht dem, was das Volk angenommen habe. Der Souverän habe sich «klipp und klar» für den Ausschaffungs-Automatismus ausgesprochen. Mit ihren Voten hat Föhn und Minder wenig Erfolg: Am Ende stimmten 28 Ständeräte der Vorlage zu, 3 lehnten sie ab. Von den 9 Enthaltungen kamen die meisten Enthaltungen von der Linken.
Die Vorlage geht nun wieder an den Nationalrat.