Die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien hat grosse Bedeutung für die künftige Teilnahme der Schweiz am EU-Forschungsrahmenprogramm «Horizon 2020». Diese Teilnahme hatte Brüssel nach dem Ja zur Massenwanderungsinitiative sistiert.
Später wurden beide Themen in einem Übergangsabkommen verknüpft: Wird das Kroatien-Protokoll bis zum 9. Februar 2017 ratifiziert, ist die Schweiz voll assoziiertes Mitglied von Horizon 2020. Andernfalls hat sie den Status eines Drittstaates.
Nach langem Hin und Her stimmten nun beide Räte oppositionslos dem Antrag der Einigungskonferenz zu. Durchgesetzt hat sich damit die kleine Kammer mit der Bedingung, dass vor der Ratifizierung des Kroatien-Protokolls eine Lösung mit der EU bei der Steuerung der Zuwanderung vorliegen muss. Die Vorlage ist damit bereit für die Schlussabstimmung vom Freitag.
Verhandlungstaktik
Der Nationalrat wollte ursprünglich dem Bundesrat keine Auflagen machen. Nun soll der Regierung für die Verhandlungen mit der EU der Rücken gestärkt werden, wie Bundeshausredaktor Philipp Burkhardt erklärt: «Deshalb ist Justizministerin Simonetta Sommaruga auch nicht ganz unglücklich über diese Verknüpfung.»
Der Bundesrat möchte gleich nach der Brexit-Abstimmung in Grossbritannien vom nächsten Donnerstag intensive Gespräche mit der EU beginnen, um eine Einigung in Sachen Masseneinwanderungsinitiative zu finden. Noch in diesem Sommer soll gemäss Ziel der Regierung eine Lösung mit der EU auf dem Tisch liegen.
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Was die angestrebte Regelung der Steuerung der Zuwanderung betrifft, so lässt der Begriff laut Burkhardt einiges offen. Justizministerin Sommaruga habe heute im Nationalrat festgestellt, dass sie eine «stabile Entscheidgrundlage» brauche. Wenn also eine Änderung des Artikels über die Masseneinwanderung in der Bundesverfassung nötig sei, müsse es darüber eine Schlussabstimmung im Parlament geben.
Das bedeutet laut Burkhardt, dass das Parlament eine von Sommaruga mit der EU im Sommer ausgehandelt Lösung vollständig durchberaten und auch akzeptieren muss. Sonst gibt es in Sachen Kroatien nichts.
Wird die Zeit reichen?
Damit werde es sehr knapp, das Geschäft mit Blick auf «Horizon 2020» termingerecht unter Dach zu bringen, schätzt Burkhardt. Es sei möglich, dass eine allfällige Einigung mit der EU bei der Masseneinwanderung als Gegenvorschlag zur Rasa-Initiative dem Parlament unterbreitet wird. Der Bundesrat müsste so bis spätestens Ende Oktober zu Rasa Stellung nehmen, welche die Begrenzung der Zuwanderung wieder aus der Verfassung streichen will. Im besten Fall geschähe dies schon kurz nach der Sommerpause, damit das Parlament in der Herbst- oder Wintersession über Rasa und den allfälligen Gegenvorschlag beraten könne.
Dann würde alles gerade noch reichen: «Allerdings ist so oder so nicht gerade Panik angebracht, denn auch das siebte und bisher letzte Forschungsrahmenprogramm mit der EU hat man in der Schweiz erst rückwirkend in Kraft gesetzt, da zum Startzeitpunkt noch keine Einigung mit der EU vorlag», erinnert Burkhardt.