Ein maskierter Mann bedrohte diesen Frühling eine Sexarbeiterin auf dem Strassenstrich in Ibach (LU) mit einer Axt. Andere Frauen eilten zu Hilfe und der Vorfall verlief zum Glück glimpflich. Auch wenn die Vorfälle nicht immer so drastisch sind – Drohungen, Nötigungen und Gewalt seien eine Realität im Arbeitsalltag, sagt eine Sexarbeiterin zu SRF.
Die Frau stammt aus Osteuropa und arbeitet schon mehrere Jahre am Rand der Stadt Luzern. «Man kommt arbeiten und weiss nicht, was einen erwartet. Fast alle von uns haben schon brenzlige Situationen erlebt.»
Manchmal habe ich Angst. Vor allem, wenn nicht viele Frauen da sind.
Viele der Frauen arbeiten schon lange auf dem Strassenstrich, einige seit über zehn Jahren in Ibach. «Ich habe Kinder und muss hierherkommen, um Geld zu verdienen. Wenn ich nicht komme, verdiene ich nichts.»
«Die Lage am Waldrand ist nicht gut»
Die Frauen sind sich in ihrem Alltag vieles gewohnt. Immer wieder ein Thema ist die Lage, einsam und abgelegen ausserhalb der Stadt Luzern. Der Ort sei gut für die Kunden, aber nicht so gut für die Frauen: «Die Lage direkt am Waldrand ist nicht so gut für uns. Manchmal habe ich Angst. Vor allem, wenn nicht viele Frauen da sind. Besser wäre ein Ort näher an der Stadt.»
«Je abgelegener, je isolierter die Sexarbeit stattfindet, desto gefährlicher ist sie», bestätigt Rebecca Angelini von ProCoRe, einem nationalen Netzwerk, das sich für die Rechte und Anliegen von Sexarbeitenden einsetzt. «Idealerweise passiert Sexarbeit dort, wo auch das städtische Leben stattfindet. Wenn der Strassenstrich an abgelegene Orte verschoben wird, braucht es zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen.» Dies sei etwa in Zürich geschehen.
In Luzern möchte die Fraktion der Grünen diese Situation ändern. Im Stadtparlament fordert sie sichere Arbeitsbedingungen für Sexarbeitende, nachdem der Strassenstrich vor zehn Jahren vom Stadtzentrum in die Peripherie verlegt wurde. Dort fehle die soziale Kontrolle.
Für den zuständigen Sozialdirektor Martin Merki (FDP) ist der aktuelle Standort nicht ideal. «Der Platz ist schon sehr abgelegen. Das bedeutet, dass die Frauen bei brenzligen Situationen nur mit Mühe Hilfe holen können.» Trotz zusätzlich installiertem Notfallknopf sei die Situation weniger kontrolliert als vor zehn Jahren, als der Strich näher beim Zentrum war.
Kameras kontraproduktiv
Kurzfristig will die Stadt Luzern mehr Polizeipatrouillen machen und für die Frauen einen zweiten Container als Rückzugsort installieren. Mittelfristig sehe sich die Stadt auch nach alternativen Standorten um. Kein Thema ist derzeit, den Platz mit einer Kamera zu überwachen. Merki meint, das könnte Freier vom Besuch des Strassenstrichs abhalten und dafür sorgen, dass sich die Sexarbeit mehr an illegale, unkontrollierte Orte verschiebt.
Der Strassenstrich ist der sichtbarste Ort im Sexgewerbe. Er macht mit etwa 13 Prozent jedoch einen kleinen Teil aus. Der Grossteil findet in Wohnungen, Salons oder Clubs statt. Abseits der Strasse sei die Situation aber nicht immer besser: «Dass die Sexarbeit auf der Strasse am prekärsten ist, ist ein Klischee», sagt Angelini. Auch in Bordellen könne es punkto Sicherheit schwierig sein. «Es besteht oft ein Machtgefälle zwischen den Kunden oder Salonbetreibern und den Sexarbeitenden. Ausgelöst durch fehlende Sprachkenntnisse, finanziellen Druck und einen unsicheren Aufenthaltsstatus kann eine Abhängigkeit entstehen.» Das Machtgefälle sei deshalb entscheidend für die Sicherheit.