Die Debatte losgetreten hat der Präsident der Freisinnigen: Der Ukraine-Krieg müsse das Ende der «Igel-Schweiz» sein, verlangt Thierry Burkart. Im Ernstfall müsse sich die Schweiz ohnehin zusammen mit Nato-Staaten verteidigen. Deshalb solle die Armee auch mit der Nato trainieren. Der FDP-Präsident erhält nun Zuspruch von unerwarteter Seite: «Wir müssen offen sein für neue Kooperationen mit der Nato», sagt SP-Sicherheitspolitikerin Franziska Roth. Sie habe ihre Meinung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine geändert. Ihrer Ansicht nach sei die Teilnahme an Nato-Truppenübungen denkbar.
Die Nationalrätin ist nicht allein im linken Lager: Gegenüber der «Rundschau» plädieren auch die SP-Sicherheitspolitikerinnen und Nationalrätinnen Edith Graf-Litscher und Priska Seiler Graf für eine engere Zusammenarbeit mit dem westlichen Verteidigungs-Bündnis.
Seiler Graf hat als Leiterin der SP-Delegation in der sicherheitspolitischen Kommission ein besonderes Gewicht. Der Ukraine-Krieg habe viel ausgelöst, sagt sie: «Fast alle unsere Nachbarländer sind in der Nato. Da liegt es auf der Hand, dass wir uns eine Annäherung überlegen.» Die rote Linie sei das Neutralitätsrecht.
Widerspruch aus den eigenen Reihen
Dass bei der SP die Sicherheitspolitikerinnen das Nato-Tabu brechen, ist kein Zufall. Traditionell sind sie armeefreundlicher als der Rest der Fraktion. Entsprechend intensiv ist die parteiinterne Debatte. Aussenpolitiker Fabian Molina gehört zum linken, pazifistischen Parteiflügel.
Für ihn kommt eine Annäherung nicht infrage – zu gross ist seine Skepsis gegenüber der Dominanz der USA in der Verteidigungsallianz. «Die Schweiz darf jetzt nicht blind aufrüsten und sich in die Arme der USA werfen», so der SP-Nationalrat. Die Schweiz solle sich stattdessen der EU annähern und deren Bemühungen um eine eigenständige Sicherheitspolitik unterstützen.
Amherd für mehr Nato-Übungen
Die Schweiz kooperiert seit Langem mit der Nato und beteiligt sich an Übungen, etwa im Bereich Luftpolizei oder Friedensförderung. Gefechtsübungen allerdings ist die Schweizer Armee bislang strikt ferngeblieben – aus neutralitätspolitischen Gründen. Doch das könnte sich ändern. Verteidigungsministerin Viola Amherd sagt gegenüber der «Rundschau»: «Ich bin überzeugt, dass es weitere Zusammenarbeits-Möglichkeiten gibt. Da sind wir jetzt dran.» Bis Ende Jahr lässt die Bundesrätin abklären, wie weit die Armee gehen könnte. Die SP wird sich bis dahin positionieren müssen.