Worum geht es? Am Morgen des 1. Juni kam es oberhalb von Vitznau LU zu einem grossen Hangrutsch. Mehrere Bauernhöfe im Gebiet wurden evakuiert. Der Gemeinderat ging zunächst davon aus, dass sich die Lage schnell beruhigt und die Familien sorgenfrei in ihre Häuser zurückkehren können. Doch dem ist nicht so: Das Hangrutschgebiet bleibt bis heute instabil. Die Bewohnenden von drei Bauernhöfen müssen weiterhin auswärts übernachten, während der Hang gesichert wird. Am Montagabend führte die Gemeinde Vitznau eine Informationsveranstaltung durch.
Wie ist die aktuelle Situation? Aktuell besteht die Gefahr, dass sich der Rutsch bei intensivem Regen wieder zu bewegen beginnt. «Im schlimmsten Fall fliesst er weiter bis ins Dorf», sagt der zuständige Geologe Beat Keller. Deshalb werde der Rutsch mit verschiedenen Methoden überwacht. Parallel laufen Sicherungsmassnahmen. Bereits realisiert sind provisorische Entwässerungsleitungen, die Wasser aus dem Hangrutschgebiet abführen.
Noch nicht fertig gebaut sind Dämme und Gerinne, die einen weiteren Rutsch von besiedeltem Gebiet wegleiten würde. «Wir kommen mit den Arbeiten nicht so gut vorwärts wie gedacht», sagt der Geologe. Man müsse warten, bis das Gebiet trockener ist. Deshalb dauert es noch Wochen, bis die betroffenen Personen in ihre Höfe zurückkönnen. «Der Schutz von Leib und Leben geht über alles», so Beat Keller.
Wie geht es den Betroffenen? Marcel Küttel lebt schon sein ganzes Leben auf einem der betroffenen Höfe. Der Betrieb mit dem Namen Eselberg ist seit Generationen in Familienhand. Aktuell führt sein Sohn den Betrieb. «Mittlerweile kann ich über das Erlebte reden, vor zwei Wochen hätte ich es noch nicht in Worte fassen können», so Küttel. Das Ganze sei ihm sehr nahe gegangen. «Es ist hart, wenn du erleben musst, wie die Schwiegertochter und die Enkelkinder aus dem Schlaf gerissen werden und die Flucht ergreifen müssen.» Mittlerweile gehe es ihm besser und er könne nach vorn schauen. «Es wird sehr viel getan für unsere Sicherheit.»
Wie ist es zum Hangrutsch gekommen? Vor dem Ereignis hatte es wegen einer speziellen Wetterlage lange und viel geregnet. «Es floss viel Wasser in den Hang», sagt Geologe Beat Keller. Ein Teil des Hanges verlor an Halt, glitt ab und stiess Ablagerungen eines alten Rutsches an. Es stellte sich heraus, dass es im Gebiet bereits 1674 zu einem grossen Rutsch gekommen war. Damals floss das Geschiebe bis ins Dorf. Nun ist dieser 350-jährige Murgang reaktiviert. Ein «schlafender Riese» wurde geweckt, wie der Geologe sagt.
Wie gefährlich ist der Rutsch für Vitznau? Sollte es in den nächsten Wochen wieder viel und intensiv regnen, besteht tatsächlich die Gefahr, dass der Hang weiterrutscht und das Geschiebe bis unten ins Dorf fliesst. Die Personen in der potenziellen Gefahrenzone müssen im Ernstfall damit rechnen, ihr Haus verlassen zu müssen. Der Geologe schätzt diese Gefahr als möglich, jedoch gering ein. «Das Ereignis ist etwa so wahrscheinlich wie ein Unfall für einen Autofahrer, der täglich von Vitznau nach Zürich pendelt.»
Kommt hinzu, dass Vitznau seit jeher mit Naturgefahren leben muss, sagt der Gemeindepräsident Herbert Imbach. «Ganz Vitznau besteht aus Gefahrenzonen in unterschiedlicher Abstufung.» Die Rigi, an der Vitznau liegt, sei seit Jahrtausenden in Bewegung. «Wir wurden jetzt daran erinnert, dass der Berg lebt.» Das Dorf sei entsprechend auf mögliche Ereignisse vorbereitet.