Darum geht es: Wenn die Immunität gegenüber dem einen Virus uns auch vor einem anderen Virus schützt. Wenn ich also zum Beispiel eine Krankheit durchmache oder eine Impfung bekomme, kann mich das in gewissen Fällen auch gegen ähnliche Erreger immun machen, das nennt sich dann Kreuzimmunität oder auch Hintergrundimmunität. Es ist also so eine Art «Bonus»-Immunität gegen zusätzliche Erreger. Im Fall von SARS-CoV-2 wäre es so, dass allenfalls eine frühere Infektion mit Erkältungs-Coronaviren den Träger jetzt vor dem neuen Coronavirus schützt. Doch das ist noch sehr spekulativ.
So ist man darauf gestossen: Noch immer kann man sich nicht erklären, warum sich manche Menschen mit SARS-CoV-2 anstecken, dabei aber keine oder kaum Symptome zeigen. Eine vorhandene Hintergrundimmunität wäre da eine mögliche Erklärung. Die Experten sind aber noch sehr zurückhaltend und betonen, dass dies noch nicht erwiesen sei. Man findet zwar bei vielen Menschen Immunzellen (T-Zellen), die für SARS-CoV-2 eine Kreuzreaktion machen können, aber welche dieser T-Zellen tatsächlich Schutz vermitteln ist heute noch nicht klar. Auch wenn also in Studien kreuzreaktive T-Zellen bei bis zu 80% der Probanden gefunden werden, heisst das noch lange nicht, dass diese auch immun sind gegen das neue Coronavirus.
So nützt das Wissen um die Kreuzreaktion: Es könnte dabei helfen einen Impfstoff zu entwickeln, der breit gegen Coronaviren wirkt. Also auch gegen SARS-CoV und MERS, aber auch bei Corona-Erkältungsviren. Doch da gibt es viele Hürden: Zuerst muss man das richtige Protein, bzw. Bruchstück vom Virus finden. Dieses muss den Körper anregen, solche breit wirksamen T-Zellen zu produzieren. Aber auch dieses Wissen führt noch nicht automatisch zum Impfstoff. Denn Impfstoffe die T-Zellen bilden sollen und nicht Antikörper (so wie die meisten Impfstoffe), können stärkere Nebenwirkungen haben, dies kennt man etwa von der Gelbfieberimpfung.
So hängt Kreuzimmunität mit der Immunität der Antikörper zusammen: Neben einer Immunität dank Antikörpern wären «alte» T-Zellen eine zweite Art, immun gegen das neue Coronavirus zu sein. Aber wie bei den T-Zellen ist auch bei den Antikörpern vieles noch unklar. So hat eine Studie im Fachmagazin Nature mit Schweizer Beteiligung kürzlich gezeigt, dass viele Menschen, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchgemacht haben, trotzdem nur wenig Antikörper im Blut haben. Gleichzeitig haben sie aber bei allen 149 untersuchten Probanden mit aufwändigen Methoden nach über einem Monat noch sehr spezifische Antikörper gegen das Virus gefunden – ein gutes Zeichen für eine längere Immunität. Aber nicht immer lassen sich die Antikörper einfach nachweisen: Eine vorläufige (preprint) Studie aus Lübeck, zeigte, dass auch mit Corona infizierte Personen später einen negativen Antikörpertest zeigen können.
So weit sind die Tests schon fortgeschritten: Auf T-Zellen zu testen, die aktiv sind gegen Coronaviren ist aufwendig, es gibt deshalb im Moment keinen diagnostischen Test, also keinen «Schnelltest». Tests sind im Moment nur möglich im Rahmen von Forschungsprojekten.
So wurde Kreuzimmunität entdeckt: Das war eine zufällige Entdeckung vor über 200 Jahren. Sie führte am Schluss zur Entwicklung des ersten Impfstoffs überhaupt. Es wurde erkannt, dass eine Infektion mit Kuhpocken Menschen davor schützt, sich später mit den richtigen Pocken anzustecken. So kam es zu den ersten Vaccinen, der Name stammt von «vacca», lateinisch für «Kuh».