Zwei Berner, eine Nidwaldnerin und ein Zuger: Das waren bis heute die Kandidaten für die Nachfolge von Ueli Maurer. Das machtbewusste Zürich? Fehlanzeige.
Mit Hans-Ueli Vogt überraschte die kantonale Findungskommission nun alle. Der Rechtsprofessor aus Zürich passt so gar nicht ins Bild der Volkspartei. Sein freiwilliger Rücktritt aus dem Parlament vor knapp einem Jahr hatte zudem für Aufsehen gesorgt.
Spiegelt seine Wahl also die Malaise des einstigen Machtzentrums oder einen Kurswechsel innerhalb der Partei wider?
Die Machtbasis am Zürichsee
Der Aufstieg der SVP in den 1990er-Jahren war eng mit dem Standort Zürich verbunden. Angeführt von Parteidoyen Christoph Blocher setzte sich die Kantonssektion mit ihrer harten Linie immer wieder gegen parteiinternen Widerstand durch. Kein Europa, weniger Einwanderung, tiefe Steuern: Es waren die Zürcher, die diese Marschroute mantraartig verteidigten.
Wirtschaftspolitisch entwickelte sich die Partei weg vom staatstragenden Stil aus Zeiten der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB), hin zu streng marktliberalen und staatskritischen Positionen. Der Streit über die Ausrichtung der Partei mit dem Berner Flügel wurde mehrfach öffentlich ausgetragen.
Prominente Köpfe der Zürcher SVP
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Bild 1 von 5Legende: Christoph Blocher Zwischen 1977 und 2003 stand er der Zürcher SVP-Kantonspartei als Präsident vor. Mit seinem Kampf gegen den EWR-Beitritt Anfang der 1990er-Jahre machte er sich unsterblich. Von 1979 bis 2003 sass er im Nationalrat. Zwischen 2003 und 2007 war er Bundesrat. (Bild: Sommer 2020) REUTERS/Arnd Wiegmann
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Bild 2 von 5Legende: Ueli Maurer Von 1994 bis 2008 war er Vorsteher des Zürcher Bauernverbandes. 1991 war die Wahl in den Nationalrat erfolgt. Zwischen 1996 und 2008 amtete er als Parteipräsident. 2008 erfolgte die Wahl in den Bundesrat. Während seiner früheren Karrierephase begleiteten ihn immer wieder Vorwürfe, im Schatten Christoph Blochers zu stehen. (Bild: 2014) REUTERS/Ruben Sprich
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Bild 3 von 5Legende: Christoph Mörgeli 1999 wurde der Historiker für die SVP in den Nationalrat gewählt. In den 2000er-Jahren zeichnete er sich durch eine scharfe Linie und mediale Omnipräsenz aus. 2015 wurde er nicht wiedergewählt. Auch ein abermaliger Anlauf 2019 scheiterte. (Bild: 2010) REUTERS/Valentin Flauraud
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Bild 4 von 5Legende: Hans Fehr Der Lehrer aus Eglisau sass von 1995 bis 2015 für die SVP im Nationalrat. Als langjähriger Geschäftsführer der Aktion Unabhängige Schweiz (AUNS) war Fehr eine der pointiertesten Stimmen in den Immigrations- und Europa-Debatten der vergangenen beiden Jahrzehnte. (Bild: 2015) REUTERS/Ruben Sprich
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Bild 5 von 5Legende: Ulrich Schlüer Schlüer sass ab 1995 zwölf Jahre für die SVP im Nationalrat. 2007 wurde er nicht wiedergewählt. Mit seiner Zeitschrift «Schweizerzeit» machte er sich einen Namen als Hardliner innerhalb der Partei. (Bild: 2009) KEYSTONE/Marcel Bieri
Doch die Erfolge der Zürcher Sektion sorgten gemäss dem Politologen Michael Hermann auch dafür, dass sich neben der Überfigur Christoph Blocher nur wenige prominente Köpfe dauerhaft etablieren konnten. Das wochenlange Zögern der Parteileitung zuletzt habe gezeigt, in welcher Verfassung sich die kantonale Sektion befinde. «Es waren offenbar zu wenig Leute da, die die Kompetenzen mitbringen oder effektive Wahlchancen hatten.»
Die Volkspartei und der Professor: Geht das?
Nun soll es also Hans-Ueli Vogt richten. Einen Namen machte sich der Rechtsprofessor zunächst im Abstimmungskampf zur Selbstbestimmungsinitiative («Fremde Richter») 2018, die vom Volk abgelehnt wurde. Im Parlament konnte er sich bei der Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative einbringen.
Ende 2021 dann der Bruch: Vogt trat überraschend zurück. Als Grund gab er eine Entfremdung vom parlamentarischen Betrieb an.
Die Wahl Vogts zeigt: Die SVP Zürich ist in Not.
Es ist denn auch dieser spektakuläre Ausstieg aus der Politik, der vom Politologen als grosser Schwachpunkt in der Kandidatur des 52-Jährigen ausgemacht wird. «Vogt will genau von dem Rat gewählt werden, aus dem er vor wenigen Monaten ausgetreten ist.» Dass die Partei auf ihn zurückgreife, deute auf eine gewisse Not innerhalb der Zürcher SVP hin.
Ein Bundesrat für die Städte?
Alt Regierungsrätin Rita Fuhrer, die der Findungskommission vorstand, betont, dass Vogt schon bei seinem Rücktritt erklärt hatte, für ein Exekutivamt zur Verfügung zu stehen. Sie lobt die fachlichen und menschlichen Qualitäten des Juristen. Seine Wahl zeige, dass die SVP eine «wahre Volkspartei» sei, die sowohl die städtischen, als auch die ländlichen Gebiete vertrete.
In den vergangenen Jahren bewirtschaftete die Partei aktiv das Bild eines Stadt-Land-Grabens. Dafür gab es parteiintern aber auch Kritik. In den grossen Städten des Landes ist die Partei praktisch inexistent. Ihre Themen scheinen bei der Wählerschaft wenig Anklang zu finden.
Wir sind eine Partei, in der jeder ein Zuhause finden kann.
Dass mit Vogt ein Stadtzürcher ins Rennen um den Bundesratssitz steigt, freut die Präsidentin der SVP Stadt Zürich, Camille Lothe. Neben dem Landwirt Guy Parmelin würde sich im Fall einer Wahl Vogts ein Städter und Akademiker gesellen. Damit dürfte ein Signal an die Wählerinnen und Wähler gesendet werden: «Wir sind eine Partei, in der jeder ein Zuhause finden kann.»
Ist die Wahl Vogts also ein strategischer Entscheid hin zu einer neuen, urbaneren Ausrichtung der SVP? Politologe Herrmann zweifelt daran. «Die Zürcher SVP brauchte einfach einen Kandidaten, um ernst genommen zu werden.»