- Der Sondierungsbericht des Bundes kommt zum Schluss: Das Explosionsrisiko im Munitionslager Mitholz BE ist deutlich geringer als bisher angenommen.
- Dennoch hält der Bund an den aufwendigen Schutzmassnahmen für die Räumung fest.
- Politiker würden das Geld lieber anderswo investieren.
Wie gefährlich ist die Munition in Mitholz? Ist der Fels ein Pulverfass oder nicht? Seit Jahren wird über die Gefährlichkeit des Munitionslagers Mitholz im Berner Oberland diskutiert. Jetzt hat das Bundesamt für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) über den neusten Stand der Risikoeinschätzung informiert.
Nun geben die Verantwortlichen erstmals Einblick in den Bericht über die Sondiergrabungen im zum Teil verschütteten Bahnstollen. Munitionsspezialisten kommen darin zum Schluss: Das Explosionsrisiko ist deutlich tiefer als angenommen. Im Bericht steht: «Bisher wurden nur vereinzelte 50-Kilo-Fliegerbomben angetroffen. Bei einer so geringen Konzentration sind Massenereignisse ausgeschlossen.»
Das VBS sei bei seiner Beurteilung vom Worst Case ausgegangen, also einer Explosion mit mehreren Tonnen Sprengstoff. «Das ist aber extrem unwahrscheinlich», heisst es im Bericht.
Worst-Case-Szenario ausschliessen
Dennoch hält das VBS an seiner ursprünglichen Risikoanalyse fest. «Ein Explosionsereignis mit mehreren Munitionsobjekten kann nicht ausgeschlossen werden», heisst es in einer Mitteilung. Drei Viertel des Bahnstollens seien für Sondiergrabungen nicht zugänglich gewesen. Folglich könne nicht abgeschätzt werden, wie gross das Risiko tatsächlich sei. Solange man den Worst Case nicht ausschliessen könne, fahre man wie geplant fort.
Das bedeutet: Der Sicherheitsperimeter für die Bevölkerung bleibt, ebenso die Schutzbauten für Bahn und Strasse. Geplant ist nebst der Verlängerung des Mitholz-Tunnels eine Schutzgalerie über der Bahnlinie. «Sie sind für die sichere Durchquerung des Gefahrenbereichs unverzichtbar.»
Kritik an den Kosten
Wie reagieren Politikerinnen und Politiker auf die Informationen des VBS? Immerhin hat das Parlament für die vollständige Räumung des Munitionslagers einen Kredit von 2.59 Milliarden Franken bewilligt.
Es wäre wünschenswert, wenn wir frei werdende Mittel in Rüstungsprojekte investieren könnten.
Der Berner Mitte-Nationalrat Reto Nause sagt: «Die vorgesehenen Schutzbauten müssen realisiert werden. Aber: Experten müssen beurteilen, ob man dort Abstriche machen kann.»
Für Nause ist klar: «Falls Mittel frei werden, wäre es wünschenswert, wenn wir diese in Rüstungsprojekte investieren könnten.» Es brauche jedoch parlamentarische Schritte, um diese Gelder ins VBS umlagern zu können.
Die Katastrophe von Mitholz 1947
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Bild 1 von 10. Nach der Schreckensnacht in Mitholz zeugen Trümmer und beschädigte Häuser von der Katastrophe. Es ist die Nacht vom 19. auf den 20. Dezember 1947, als sich in der Gemeinde Kandergrund im Berner Oberland eine der grössten Explosionskatastrophen der Schweiz ereignet. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 10. In einem Munitionslager der Schweizer Armee kommt es zu einer Reihe schwerer Explosionen. Rund 4000 von 7000 Tonnen eingelagerter Munition explodieren oder verbrennen. Im Bild: Die zugemauerten Stolleneingänge des ehemaligen Munitionslagers. Bildquelle: VBS.
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Bild 3 von 10. Einer der Stollen nach der Explosion. Bildquelle: VBS.
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Bild 4 von 10. Die Felswand, in der sich das Munitionsdepot befindet, stürzt ein, wobei sich etwa 250'000 Kubikmeter Gestein lösen. Bildquelle: VBS.
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Bild 5 von 10. Neun Menschen sterben, mehrere werden verletzt. 200 Personen sind obdachlos. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 10. Die Explosionen sind so gewaltig, dass 40 Häuser zerstört oder beschädigt werden. Der Sachschaden wird auf 100 Millionen Franken geschätzt, was heute 490 Millionen Franken entspricht. Bildquelle: VBS.
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Bild 7 von 10. Im Kirchlein Kandergrund findet die Trauerfeier für die Opfer der Explosionskatastrophe statt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 10. Die Katastrophe löst eine Solidaritätswelle in der Bevölkerung aus. Im Schulzimmer in Kandergrund türmen sich bald Spenden und Pakete aller Art (Foto vom Januar 1948). Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 10. Aufräumen nach der Katastrophe: Bahnarbeiter reparieren die Gleise. Die Bahnstrecke ist tagelang unterbrochen und die Station Blausee-Mitholz der Lötschbergbahn zerstört. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 10. Wohin mit den Munitionsrückständen? Um den Gefahren durch überalterte Munitionsbestände zu begegnen, beschloss der Bundesrat im März 1948, 2500 Tonnen Artilleriemunition im Thuner-, Brienzer- und Vierwaldstättersee zu versenken. Zusätzlich wurden rund 1500 Tonnen von Rückständen aus Mitholz im Thunersee versenkt. Bildquelle: VBS.
Auch SVP-Nationalrat Erich Hess fordert, dass der Bund eine Kostensenkung prüft. «Das Geld soll der Armee zur Verteidigung unseres Landes zugutekommen.»
Wir müssen die Sicherheit der Menschen und der Natur – sprich Grundwasser – garantieren.
Anderer Meinung ist SP-Nationalrätin Andrea Zryd: «Es sieht weniger schlimm aus als gedacht, aber nichtsdestotrotz muss man die Sicherheit der Menschen und der Natur – sprich Grundwasser – garantieren. Sollte Geld übrig bleiben, muss dieses in die Bildung und das Gesundheitswesen investiert werden.»