- Nach den Stimmverlusten bei den Wahlen ist die Debatte in der SP um ihre künftige Ausrichtung voll entbrannt.
- Das gilt auch für die Diskussion um die Parteispitze.
Die «NZZ am Sonntag» orakelt bereits, dass Christian Levrat noch diesen November seinen Rücktritt vom SP-Präsidium bekanntgeben wird. Bei der Delegiertenversammlung Ende Monat «werden wir in Bern Bilanz ziehen über die Wahlen», erklärte Levrat selber. Dabei stünden «auch personelle Fragen» auf der Agenda.
«Levrat-Debatte ist überflüssig»
Die Diskussion um Parteichef Levrat findet der wiedergewählte Zürcher Ständerat Daniel Jositsch «total überflüssig», wie er dem «SonntagsBlick» sagte. Levrat könne «die Partei sehr gut führen und zusammenhalten – insofern ist die Debatte dumm». Der Parteichef sei «eher Teil der Lösung als Teil des Problems».
Ständerat Jositsch knöpft sich bei dieser Gelegenheit gleich noch den linken Flügel der Partei vor. Mit einem marxistischen Überbau könnten sozial denkende Wähler eben nichts anfangen, so der 54-Jährige weiter.
«Wir sind Opfer des eigenen Erfolgs»
Deshalb sei es kein Zufall, dass die massivsten Stimmenverluste in Zürich dort eingefahren wurden, «wo es eine Absetzbewegung vieler sozialliberaler Wähler zur GLP gab». Während er selber mit 216'000 Stimmen gewählt wurde, habe die SP im Kanton Zürich gerade mal 90'000 eingefahren. Das Credo, «den Jositsch braucht man für Wahlen, und dann macht man wieder Juso-Politik» sei also nicht aufgegangen.
Andere Schlüsse aus dem Wahlergebnis zieht SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Die Partei brauche «keine Neuausrichtung – weder nach links noch nach rechts», betont sie im «SonntagsBlick». Das Problem sei vielmehr, dass der Partei die grossen Fragen abhanden gekommen seien. Der SP fehle «die sinnstiftende Erzählung, in die alles eingebettet ist», erklärt die Zürcherin. «Wir sind Opfer des eigenen Erfolges geworden und haben uns darauf beschränkt, die riesigen Errungenschaften der Sozialdemokratie des letzten Jahrhunderts zu verteidigen.»
Partei auf Nebenschauplätzen
Vor diesem Hintergrund fordert Badran eine neue Vision. Etwa den Umbau des heutigen Wirtschaftssystems «hin zu einer post-kapitalistischen Gesellschaft, die nicht mehr dem Wachstumszwang unterworfen ist».
Zudem, so Badran weiter, habe sich die SP auf Nebenschauplätzen verloren. «Wir verlassen den Pfad der Tugend, wenn wir versuchen, gesamtgesellschaftliche Phänomene allein politisch zu regeln», sagt sie und fügt hinzu: «Einem 60-jährigen Handwerker, der in seinem Spind ein Pin-Up-Girl hängen hat, vorzuwerfen, er sei ein sexistisches Arschloch, bringt nichts. Oder die Debatte darum, ob man den Mohrenkopf noch ‹Mohrenkopf› nennen darf. Das sind doch nicht die Probleme, die wir angehen müssen.»
Der SP droht «ein heisser Winter»
Ihr Parteikollege Jositsch schlägt seinerseits vor, die SP-Statuten um Positionen des Reformflügels zu ergänzen. Also «das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Law and Order» in den Parteistatuten festzuschreiben.
Die grosse Bühne für diese Debatten ist der Parteitag Anfang April 2020 in Basel. Dort, so sagt Levrat, «werden wir auch die personelle Zukunft der Partei bestimmen». Sollte der Parteichef aber bereits in den nächsten Wochen das Handtuch werfen, steht der SP nach Einschätzung der «NZZ am Sonntag» ein «heisser Winter bevor».