- Die Frage, ob Homöopathie wirkt, teilt die Schweiz in zwei Lager.
- Die Töne auf beiden Seiten werden schriller, die Sprache gehässiger.
- Die Schweizer Stimmbürger haben 2009 entschieden, dass Homöopathie in den Leistungskatalog der Grundversicherung kommt.
In den Mails, die sie bekommt, wird sie massiv bedroht. «Man sollte Ihnen Rattengift geben, dann sehen Sie, wie Ihre Schulmedizin hilft», heisst es in einer Mitteilung – natürlich anonym. Natalie Grams, ehemalige Homöopathin, hat das Lager gewechselt. Sie sagt heute, Homöopathie sei wirkungslos und gefährlich, weil viele Patienten falsch behandelt würden. Dafür wird sie von der Gegenseite beschimpft.
Grams hat ein Buch geschrieben, in dem sie die Homöopathie heftig kritisiert. Und die Ärztin hält Vorträge über die Behandlungen mit Globuli und anderen homöopathischen Mitteln. Diese hätten zwar manchmal Erfolg, sagt sie, aber der gehe nicht über den Placebo-Effekt hinaus. Die «Rundschau» hat die deutsche Ärztin an einen Auftritt in Winterthur begleitet.
Grams mobilisiert auch Gegner
Beatrice Soldat ist extra aus Teufen angereist. «Frau Grams greift die Leute persönlich an, sie ist nicht sachlich», sagt die ausgebildete Homöopathin aus dem Appenzell. Es gebe sehr wohl Studien, die die Wirksamkeit von Homöopathie belegten. «Das sind schlechte, unvollständige Studien», kontert Grams.
Die Homöopathen fürchten Auftritte wie diesen von Natalie Grams. «Melden Sie Falschaussagen von Homöopathie-Gegnern, damit sie verfolgt werden können», heisst es in einem Aufruf des deutschen Homöopathie-Watch-Blogs. Er wurde genau an jenem Tag veröffentlicht, als Grams in Winterthur aufgetreten ist.
«Studien sind langweilig»
Nach dem Vortrag stellt sich Natalie Grams den Fragen der Zuhörer und den Vorwürfen ihrer Kritiker. Beatrice Soldat sagt: «Frau Grams meint, wir seien in der Beweispflicht, dass Globuli wirken. Unsere Patienten sind der Beweis!» Der Homöopath Hansjörg Heé aus St. Gallen schiebt nach: «Frau Grams ist von der Wissenschaft ausserordentlich eingenommen. Der Mensch kommt nicht vor, nur Studien. Studien sind langweilig.»
Natalie Grams wirkt auf dem Podium in Winterthur erschöpft. Sie kennt diese Argumente, trägt aber geduldig ihre Antworten vor. Sie weiss, dass sie damit die Gegner nicht überzeugen kann.
Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) gibt man sich bedeckt, wenn es um die Wirksamkeit von Homöopathie geht. BAG-Kampagnenleiter Gregor Lüthy sagt, es gehe vor allem darum, Volkes Wille umzusetzen. «Der Homöopath ist ja auch Mediziner. Er oder sie hat einen Facharzttitel und eine Weiterbildung in homöopathischen Leistungen gemacht – sonst darf man das gar nicht anbieten.» Das BAG setze deshalb auf das Vertrauensprinzip: «Wir gehen davon aus, dass es wirkt», so Lüthy zur «Rundschau».
Zehn Millionen Franken für Homöopathie
In der Schweiz stimmte die Bevölkerung 2009 über die Komplementärmedizin ab. Seither steht die Homöopathie im Leistungskatalog der Grundversicherung. Behandlungen von Ärzten mit einem Facharzttitel und einer komplementärmedizinischen Weiterbildung müssen von den Krankenkassen bezahlt werden.
Die Kosten der Krankenversicherer für Homöopathie verzehnfachten sich nach der Abstimmung innerhalb von nur zwei Jahren. Heute liegen sie bei rund zehn Millionen Franken pro Jahr. Homöopathie ist im Vergleich mit anderen medizinischen Leistungen kostengünstig. Insgesamt zahlten die Krankenversicherer für medizinische Leistungen im letzten Jahr 30 Milliarden Franken.