Gewürgt, geschlagen, vergewaltigt – Sexualstraftäter und Gewalttäterinnen sollen im Kanton Zürich strafrechtlich besser verfolgt werden können. Der Kanton eröffnet dafür eine neue Abteilung beim Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich.
«Forensic Nurses» sichern Spuren
Diese neue Abteilung wird von sogenannten «Forensic Nurses» betrieben. Das sind ausgebildete forensische Pflegefachleute, die Spuren sexueller und häuslicher Gewalt zu Hause oder im Spital professionell sichern und dokumentieren können.
Somit können die Opfer überlegen, ob sie eine Strafanzeige machen wollen.
Dabei geht es darum, Spuren wie beispielsweise Würgemale oder Sperma einfach mal zu sichern, ohne dass es zwingend zu einer Anzeige kommt oder die Polizei eingeschaltet wird. «Somit können die Opfer zur Ruhe kommen und überlegen, ob sie eine Strafanzeige machen wollen», sagt Sandra Müller, Leiterin der kantonalen Opferhilfestelle.
Spurensicherung auch ohne Anzeige
Das ist denn auch das Neue an diesem Pilotprojekt des Kantons Zürich. Bisher wurden Opfer einer Vergewaltigung, sexuellen Nötigung oder von häuslicher Gewalt nämlich erst dann forensisch auf Spuren untersucht, wenn sie den Beizug der Polizei wünschten.
Wollten sie dies nicht, wurden die Spuren lediglich auf Wunsch von ärztlichem Personal dokumentiert, aber nicht von Spezialistinnen und Spezialisten. «Durch dieses neue Angebot möchten wir auch den Opfern, die keine Anzeige direkt machen wollen, eine fundierte forensische Spurensicherung zukommen lassen», sagt Nadja Weir von der kantonalen Gesundheitsdirektion.
Doch die Spurensicherung ist nicht die einzige Aufgabe der «Forensic Nurses». Vielmehr sollen sie die Opfer auch betreuen, beraten und den Kontakt zu Opferhilfe-Beratungsstellen herstellen.
Die Opfer sollen nach der medizinischen Untersuchung wissen, wohin sie sich wenden können, um das traumatische Ereignis zu verarbeiten. Und die «Forensic Nurses» sollen bei Bedarf auch von den Spitälern beigezogen werden können und dazu rund um die Uhr erreichbar sein.
Zürich erhofft sich Reduzierung der Dunkelziffer
Auf diese Weise will der Kanton einerseits die Dunkelziffer von häuslicher und sexueller Gewalt reduzieren. Das Problem bei Gewalt in Beziehungen, Familien oder Ehen ist ja, dass Opfer teilweise davor zurückscheuen, Anzeige zu erstatten oder das Delikt überhaupt zu melden.
Andererseits sollen die Spuren, welche die «Forensic Nurses» sichern, bei einer Strafanzeige und schliesslich vor Gericht besser verwertet werden können.
Aufgrund bisheriger Daten rechnet der Kanton neu mit rund 500 Fällen pro Jahr. Bis anhin waren es knapp 400 Fälle, bei denen die Strafverfolgungsbehörden involviert waren – im Schnitt also mehr als einer pro Tag. Wie viel Arbeit die «Forensic Nurses» wirklich haben werden, ist jedoch offen.
Der Regierungsrat will das Angebot deshalb vorerst als Pilotprojekt einführen. Los geht es mit der neuen Abteilung im zweiten Quartal des nächsten Jahres. Ende 2026 soll entschieden werden, in welcher Form es fortgesetzt wird.
Die Kosten für diese neue Abteilung belaufen sich während der Pilotprojektphase auf 5.5 Millionen Franken. Für den Aufbau der Abteilung «Forensic Nurses» am universitären Institut für Rechtsmedizin müssen rund 770'000 Franken aufgewendet werden.
Pro Jahr kostet das Angebot 1.7 Millionen Franken. Das Geld muss der Zürcher Kantonsrat in einer der nächsten Sitzungen bewilligen.