Christoph Zürcher läuft die Strasse Kettberg im Zürcher Quartier Höngg entlang und zeigt auf die Parkplätze in der blauen Zone. Ginge es nach der Stadt, würden diese 16 Parkplätze verschwinden. «Mir ist sauer aufgestossen, dass der Abbau nicht nachvollziehbar war. Man braucht den gewonnenen Platz nicht», sagt Zürcher, der im Quartier aufgewachsen ist.
Hinzu komme, dass sich diese kleine Quartierstrasse an einer Hanglage befinde und schlecht mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen sei. Für viele ältere Leute, die dort lebten, sei das problematisch.
Mir ist sauer aufgestossen, dass der Abbau nicht nachvollziehbar war. Man braucht den gewonnenen Platz nicht
Deshalb informierte Zürcher alle Nachbarn und schaltete die Webseite «Quartierparkplaetze.ch» auf. Darauf sind sämtliche Strassenbauprojekte der Stadt Zürich aufgelistet und man sieht, wie viele Parkplätze wo abgebaut werden sollen.
«Jetzt wehren in nur drei Minuten»
Mit dem Slogan «Jetzt wehren in nur drei Minuten» zeigt Zürcher mit seiner Webseite auch, wie man gegen unliebsame Projekte vorgehen kann. So schnell habe man nämlich eine sogenannte Einwendung eingereicht. Diese Einwendungen (nicht zu vergleichen mit einer Einsprache) zwingen die Stadtverwaltung, das Projekt zu begründen.
Der Druck wirkte. Die Stadt ging nochmals über die Bücher und streicht nun statt alle 16 Parkplätze nur deren zwei. Zürcher hofft, dass das Beispiel am Kettberg auch anderswo Schule macht.
Parkplätze müssen wegen Veloschnellrouten weichen
Anderer Meinung ist Markus Knauss, Präsident des VCS Zürich. Die Städte bräuchten Platz. Zürich sei mit einem massiven Verdichtungsschub konfrontiert. Deshalb müssten Parkplätze auf öffentlichem Grund weichen, zugunsten von Velorouten, Bäumen und Plätzen. Auch in den Quartieren.
Knauss glaubt die Bevölkerung hinter sich zu wissen. Die Mehrheit der Zürcherinnen und Zürcher stützten diese Politik, schliesslich hätten auch immer weniger Leute in Zürich ein eigenes Auto. Derzeit besitzt im Schnitt noch jeder Dritte in Zürich wohnhafte ein Auto.
Das Gewerbe will gebührenfrei parkieren
Seit längerer Zeit unzufrieden mit der Parkplatzsituation in der Stadt Zürich ist das Gewerbe. Die Präsidentin des städtischen Gewerbeverbandes, Nicole Barandun, sagt denn auch, dass man die Parkplatzsituation grundsätzlich immer aus der Perspektive des Gewerbes anschaue.
Dabei setze man sich aber auch dafür ein, dass Kunden genügend Parkplätze vorfinden würden. Das gelte sowohl für die Innenstadt wie auch für die Stadtquartiere. Was Handwerker und Gewerbetreibende betreffe, sollen diese künftig mit einer sogenannten Gewerbekarte überall parkieren können.
Leute mit Auto sind im offiziellen Lebensentwurf der Stadt Zürich nicht vorgesehen
Christoph Zürcher – der mittlerweile in einem anderen Zürcher Quartier wohnt – pendelt täglich nach Bern – mit dem Zug. Auch Velo fährt er regelmässig. Er sei für den öV und auch nicht gegen das Velo. Aber es gebe nun mal Leute, die seien aufs Auto angewiesen, weil sie nicht so vorteilhaft wohnen würden, nicht direkt an den öffentlichen Verkehr angeschlossen seien oder aber, weil es der Beruf erfordere.
Zürcher weiss, wovon er spricht. Er war jahrelang berufsbedingt aufs Auto angewiesen. Diese Leute seien im Lebensentwurf der Stadt Zürich nicht vorgesehen. Für diese Leute im Quartier will sich Zürcher einsetzen. Er sieht darin auch ein soziales Engagement.
«Blaue Zonen-Parkplätze verteuern Mieten»
Verkehrspolitiker Markus Knauss sieht es gerade umgekehrt: Für ihn sind die vielen Parkplätze auf öffentlichem Grund unsozial. Wegen der vielen günstigen städtischen Parkplätze würden Tiefgaragenplätze in den Wohnüberbauungen leer bleiben. Die ausbleibenden Einnahmen würden die Hausbesitzer einfach auf die Mieten schlagen. Somit bezahle ein Mieter höhere Mietkosten. Knauss bezieht sich bei seinen Aussagen unter anderem auf eine Studie der Grossbank CS.
Fakt ist; das Auto wird weiter aus der Stadt gedrängt, mit dem Segen des Stimmvolkes. Beruhigungsmassnahmen, Temporeduktionen, autofreie Plätze – werden regelmässig an der Urne angenommen. Der Abbau von Quartierparkplätzen wird wohl weitergehen, auch wenn dank Zürchers Engagement der eine oder andere Parkplatz erhalten werden kann.
Der Quartier-Parkplatz-Retter Christoph Zürcher ist übrigens in keiner Partei und will auch nicht in die Politik einsteigen. Er möchte einfach weiter ein einfacher Bürger bleiben. Aber einer, der der Stadt Zürich auf die Finger schaut.
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