Worum geht es? Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert die europäischen Staaten dringend dazu auf, ihre Coronapolitik so anzupassen, dass die steigenden Infektionszahlen eingedämmt werden. In Europa glaube man, mit ein paar weiteren geimpften Personen sei alles vorbei – das sei aber nicht der Fall, sagt WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan. Es brauche weitere Massnahmen, denn Nachlässigkeit, auch weil man sich mit einer Impfung allzu sicher fühle, führe zu Übertragungen. Die WHO befürchtet, dass in den kommenden Monaten bis zu 500'000 Menschen an Covid-19 sterben könnten.
Was heisst das für die Schweizer Impfwoche? «Die Impfwoche wird die Probleme, die auch die Schweiz mit der Pandemie hat, sicher nicht lösen», sagt SRF-Wissenschaftsredaktor Christian von Burg. Sicher sei es gut, wenn in die Impfaktion etwas Schwung reinkomme, vor allem bei den Jüngeren. Doch damit allein könne der derzeit stark steigende Anstieg bei den Neuinfektionen mit dem Coronavirus nicht gestoppt werden.
Wieso ist Europa derzeit der Corona-Hotspot? Die Ansteckungszahlen gehen auf allen Kontinenten der Welt runter – ausser in Europa. Gründe dafür sind das kalte Wetter und die teilweise recht niedrigen Impfquoten. «Europa ist wie vor einem Jahr wieder das Epizentrum der Pandemie», so von Burg. Die vergleichsweise tiefsten Impfquoten in Europa haben dabei die deutschsprachigen Länder Österreich, Deutschland und die Schweiz – und hier steigen auch die Fallzahlen am schnellsten an. Allerdings sind die Auswirkungen – Spitaleintritte und Todesfälle – wegen der diesmal oftmals schwachen Krankheitsverläufe nicht mit der Gesamtlage vor einem Jahr vergleichbar.
Europa ist wie vor einem Jahr wieder das Epizentrum der Pandemie.
Wieso gibt es grosse regionale Unterschiede? In anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Italien weist die Kurve der Neuansteckungen viel weniger steil nach oben. Das habe vor allem mit den unterschiedlichen Impfquoten zu tun, sagt von Burg. «Allerdings gibt es auch Länder mit höheren Impfquoten, die jetzt, beim kalten Wetter, Probleme haben.» Grund dafür ist, dass die Impfung nicht zu 100 Prozent schützt, vor allem auch nicht vor der Weitergabe des Virus. «Geimpfte werden meist gar nicht oder nur leicht krank, doch das Virus ist trotzdem da.» Das mache die ganze Angelegenheit extrem kompliziert, so der Wissenschaftsredaktor.
Beim Maskentragen, Abstand halten und Testen jetzt nicht nachlässig werden, auch wenn man geimpft ist.
Welche Massnahmen sind jetzt nötig? «Wichtig ist, beim Maskentragen, Abstand halten und Testen jetzt nicht nachlässig zu werden, auch wenn man geimpft ist», so von Burg. «Insbesondere die verletzlichen Personen müssen geschützt werden.» Deshalb: Beim Besuch von älteren Menschen oder Kranken, die noch keinen Booster erhalten haben, unbedingt eine Maske tragen und wenn möglich vorher einen Antigentest machen – auch wenn man geimpft ist. In Schulen ist es sinnvoll, die regelmässigen Reihentests fortzuführen, damit Infektionen möglichst rasch erkannt werden und nicht unbemerkt in die Familien hineingetragen werden.