Das Expertengremium des Bundes hat heute informiert, wie es dem starken Anstieg der Corona-Infektionen begegnen will. Wenn es so weitergeht, könnten bereits Ende August die Werte auf dem Stand vom letzten Herbst liegen, dem bisherigen Höhepunkt der Pandemie. Fragen an SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.
SRF News: Wie will das Bundesamt für Gesundheit auf die stark steigenden Zahlen reagieren?
Katrin Zöfel: Die klarste Reaktion ist der wiederholte Aufruf zum Impfen. Aber sonst geschieht erst einmal nicht viel. Die Situation jetzt ist in den meisten Punkten auch noch weit weg von den Richtwerten, die der Bundesrat als Orientierung für verschärfte Massnahmen heranziehen will. Es ist insgesamt eine abwartende Reaktion.
Die klarste Reaktion ist der wiederholte Aufruf zum Impfen. Aber sonst geschieht erst einmal nicht viel.
Abwarten und zum Impfen aufrufen. Können wir uns das in der momentanen Lage leisten?
Impfen ist nach der Logik des Bundesrats und auch aus der Sicht vieler Wissenschaftler schon sinnvoll, klar. Und jetzt, wo die Delta-Variante dominiert, lieber schneller impfen als langsamer. Denn Delta sorgt schon jetzt Ende Juli für steigende Zahlen. Es gibt also dieses Jahr keine Corona-Sommerpause wie 2020. Noch offen ist, wie stark sich die steigenden Fallzahlen in Hospitalisierungen und Todesfällen niederschlagen werden. Es sind in fast allen Altersgruppen ja schon Menschen geimpft; grosse Teile vor allem in den Altersgruppen, wo es in der ersten und zweiten Welle viele Todesfälle und schwere Verläufe gegeben hat.
Aber es sind eben auch viele noch ungeimpft, also ungeschützt. Wenn man annimmt, dass die ansteckendere Variante Delta recht schnell die 20 Prozent Ungeimpften unter den 80-Jährigen infiziert, gibt es schnell wieder hohe Zahlen auch in den Spitälern. Oder eben die Zahl der Geimpften reicht, um die Konsequenzen abzupuffern. Beide Szenarien sind von jetzt an denkbar.
Wenn man annimmt, dass die ansteckendere Variante Delta recht schnell die 20 Prozent Ungeimpften unter den 80-Jährigen infiziert, gibt es schnell wieder hohe Zahlen auch in den Spitälern.
Allein entscheidend ist also, dass die Spitäler nicht überlastet sind und möglichst keine Menschen an Covid-19 sterben?
Das ist tatsächlich ein wichtiger Aspekt, wenn man Corona mit Blick auf die Schwere der Auswirkungen einordnen will. Zu dieser Bilanz gehören die akuten Infektionen, die Hospitalisierungen, die Todesfälle und die Krankheitslast durch Long-Covid. Es ist klar, dass man das in die Bewertung reinnehmen muss.
Aber eine ganz andere Frage ist, ob die Zahl der Hospitalisierungen eine gute Orientierung gibt, um Entscheidungen in der Pandemie zu treffen, wenn die Situation dynamisch wird und sich schnell entwickelt. Denn es braucht zwei bis drei Wochen, bis sich zeigt, ob eine infizierte Person schwer erkrankt. Es braucht also auch zwei bis drei Wochen, bis sich zeigt, ob aus vielen neuen Fällen viele neue Hospitalisierte werden. In einer dynamischen Situation gibt ein Richtwert, der so verzögert reagiert, keine gute Entscheidungsgrundlage.
In einer dynamischen Situation gibt ein Richtwert, der verzögert reagiert, keine gute Entscheidungsgrundlage.
Momentan stecken sich vor allem viele junge Menschen an, jene Bevölkerungsgruppe, die auch am wenigsten geimpft ist. Hat der Bund die Bedeutung der Jungen in der Pandemie etwas unterschätzt?
Das weiss ich nicht. Aber es passiert jetzt eigentlich nochmals das gleiche wie im letzten Sommer. Damals waren es auch erst einmal die Jungen, die sich angesteckt haben. Es sind die, die mobil sind und rausgehen. Letztes Jahr sind die Infektionen dann langsam aber sicher auch wieder auf ältere Altersgruppen übergegangen. Das kann gut auch jetzt wieder passieren. Die Frage ist, wie die Konsequenzen mit der Durchimpfungsrate ausfallen, wie sie jetzt ist und wie wir sie in den kommenden Wochen noch erreichen können.
Die Frage ist, wie die Konsequenzen mit der Durchimpfungsrate ausfallen, wie sie jetzt ist und wie wir sie in den kommenden Wochen noch erreichen können.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.