Im Stillen und dennoch in der Kritik: Seit fünf Jahren gibt es im Bundesamt für Gesundheit BAG eine Sektion, welche bestimmte medizinische Behandlungen, Analysen und Medikamente überprüfen lässt – um die Frage zu beantworten, ob sie von den Krankenkassen bezahlt werden sollen. Die Sektion wendet einen mehrstufigen, wissenschaftlichen Prozess an – das «Health Technology Assessment» – kurz HTA.
Doch als sich vor zwei Jahren die Eidgenössische Finanzkontrolle für die Resultate interessierte, fand sie keine. Ihr Urteil war vernichtend: Zufällig gewählte Themen, langsame Prozesse und Assessments ohne Wirkung.
Sparbilanz bisher eher bescheiden
Heute sagt Marc Schneider, Co-Leiter der zuständigen BAG-Abteilung: «Wir haben jetzt erste, sehr erfolgreiche Resultate, die wir präsentieren konnten. In naher Zukunft kommen weitere spannende Ergebnisse dazu, möglich dank HTA.»
Aktuell geht es um Einsparungen in der Höhe von 35 Millionen Franken. So übernimmt etwa die Krankenkasse nicht mehr jeden Vitamin-D-Test, und bestimmte Medikamente gegen Diabetes werden nur noch bezahlt, wenn es für die Betroffenen keine Alternativen gibt.
Das sind zwei Beispiele aus den 33 Assessments des laufenden Jahres. In elf Fällen ist auch über das weitere Vorgehen entschieden worden. Ursprünglich rechnete der Bund dank solcher Assessments mit Einsparungen von über 200 Millionen Franken jährlich. Die nun erzielten 35 Millionen liegen noch deutlich unter diesen Erwartungen.
BAG: Nicht immer kann gestrichen werden
Beim BAG erklärt HTA-Sektionsleiterin Stephanie Vollenweider: «Man ging davon aus, dass man eine Leistung komplett streicht und nicht mehr vergütet. Aber die Medizin ist keine exakte Wissenschaft. Oft ist das Resultat bei näherem Hinsehen nicht so schwarz-weiss.»
In den jüngsten Fällen heisst das, dass Leistungen nicht komplett aus dem Katalog der Grundversicherungen gestrichen wurden. Vielmehr ergab die Überprüfung, dass sie nur für bestimmte Gruppen von Patientinnen und Patienten sinnvoll sind und nur dann über die Krankenkasse finanziert werden sollen. Das Programm nehme jetzt Fahrt auf, mit Einsparungen im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich sei künftig zu rechnen, so Vollenweider.
Das Programm nimmt jetzt Fahrt auf. In Zukunft werden wir mit Einsparungen im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich rechnen können.
Auch nach Ansicht von Expertinnen und Experten sind Health Technology Assessments ein wichtiges Instrument, um die Behandlungen zu verbessern und um Kosten zu sparen. Zu ihnen gehört Gesundheitsökonom Tilman Slembeck. Dennoch erstaunt den ZHAW-Dozenten nicht, dass die aktuellen Resultate unter den Erwartungen liegen.
Experten bestätigen Nutzen durch HTA
Die bisherigen Assessments wirkten zufällig, sagt Slembeck. Wenn sie aber systematisch erfolgten, seien sie sehr sinnvoll: «Grosse HTA schauen etwa auch an, wie schnell Leute wieder gesund im Berufsleben sind. Wenn jemand im Durchschnitt zwei bis drei Tage früher wieder am Arbeitsplatz ist, liegt der Gewinn aus der HTA bei der Volkswirtschaft und nicht bei der Krankenkasse.»
Grosse HTA schauen auch an, wie schnell Leute wieder gesund im Berufsleben sind. Das nützt der Volkswirtschaft und nicht den Kassen.
Auch die Krankenkassenverbände curafutura und santésuisse wünschten sich Verbesserungen und schätzen das Potenzial dieser Assessments deutlich höher als 35 Millionen ein. Das BAG will künftig die dreistellige Millionen-Hürde knacken. Mit dem stillen Arbeiten bei der HTA-Sektion dürfte es dann vorbei sein. Kritische Stimmen werden wohl bleiben.