In den vergangenen Jahren gab es bei den Krankenkassenprämien immer nur eine Richtung: nach oben. Erstmals fiel dieses Jahr Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider die Aufgabe zu, die schlechte Nachricht der Bevölkerung zu vermitteln. Sie hatte das Innendepartement nach dem Rücktritt von Alain Berset zu Jahresbeginn übernommen. Im Interview erklärt sie die Gründe für die hohen Kosten und was es braucht, um die Aufwärtsspirale bei den Kosten zu stoppen.
SRF News: Frau Bundesrätin, haben Sie schon nachgeschaut, wie stark die Prämien in Ihrem Heimatkanton Jura steigen?
Elisabeth Baume-Schneider: Ich habe in allen Kantonen geschaut und gesehen, dass mein Kanton gerade nach dem Tessin kommt. Und dass es eine bedeutende Erhöhung ist.
Neun Prozent, das ist besonders viel. Aber auch die gesamtschweizerische durchschnittliche Erhöhung von sechs Prozent trifft viele Leute sehr hart. Können Sie deren Ärger und Sorge verstehen?
Ja, ich verstehe den Ärger und die Sorgen. Und ich muss auch erklären, dass es mit den Kosten zusammenhängt. Wir haben ein gutes Gesundheitssystem, aber das hat einen Preis. Dieser Preis ist dieses Jahr leider wieder höher. Auch wegen der Inflation, und weil die Leute älter werden und es Fortschritte in der Medizin gibt. Das alles führt bedauerlicherweise zu einer Erhöhung.
Wenn Sie den Ärger begreifen, warum sollen die Leute denn noch mehr bezahlen mit höheren Mindestfranchisen, so wie es Ständerat und Bundesrat wollen?
Man muss das prüfen und schauen, um wie viel man die Mindestfranchise erhöhen soll, und wie oft sie angepasst werden soll – oder auch nicht. Es gibt noch eine politische Diskussion und das Thema kommt noch in den Nationalrat. Kinderfranchisen sollen nicht betroffen sein. Und man muss auch an die chronisch Kranken denken.
Genau diese chronisch Kranken müssten mehr bezahlen.
Ja, deswegen muss man genau schauen, wer betroffen ist. Wir müssen schauen, was es bringt und was nicht. Der Bundesrat hat erklärt, er wolle das prüfen.
Sie selbst tönen nicht begeistert. Weil die Gefahr besteht, dass Leute, die knapp bei Kasse sind, bei einer höheren Franchise zu spät zum Arzt gehen – und damit nicht nur sich selber schaden, sondern auch höhere Kosten verursachen?
Ja, schauen wir jetzt einmal, was es im System bringt, und was nicht. Seit mehreren Jahren hat man da nichts mehr gemacht. Man muss Anreize schaffen für die Leute, dort wo es wichtig ist. Aber auch dort, wo es möglich ist.
Wenn niemand einen Schritt auf den anderen zugeht, kann man die Kosten nicht senken.
Es ändert ja noch nichts an den Kosten. Wenn wir die Kosten anschauen: Wo wäre denn Ihrer Meinung nach der wichtigste Hebel?
Es gibt mehr als einen. Ein Hebel ist schon im Parlament – und zwar beim zweiten Kostendämpfungspaket. Dort sind Mengenrabatte für Medikamente geplant. So könnte man mehrere hundert Millionen Franken sparen. Ich hoffe, dass das angenommen wird.
Im Nationalrat sieht es schon nach Opposition aus.
Ja, aber genau so läuft es im Gesundheitssystem! Es gibt Opposition und man muss Kompromisse finden. Wenn niemand einen Schritt auf den anderen zugeht, kann man die Kosten nicht senken.
Zum Schluss, Frau Bundesrätin: Wenn Sie einen Zauberstab hätten und nur etwas ändern könnten im Gesundheitssystem, was würden Sie ändern?
Das Vertrauen zwischen den Partnern. Und dass jeder sagt: «Okay, ich kann vielleicht ein bisschen weniger gewinnen, aber das System muss gewinnen.» Die Qualität muss bleiben, aber jeder kann vielleicht ein bisschen weniger gewinnen.
Das Gespräch führte Nathalie Christen.