- In den nächsten Jahren werden rund fünf Millionen Tonnen Gestein im Urnersee versenkt.
- Es handelt sich dabei zu einem grossen Teil um Ausbruchmaterial vom Bau des zweiten Gotthard-Strassentunnels.
- Mit der Schüttung wird im Urnersee neuer Lebensraum für Tiere und Pflanzen geschaffen.
Die ersten 950 Tonnen Kies, Sand und Stein sind am Montagmorgen per Güterzug in Flüelen angerollt. Eine Fuhre, die den Startpunkt eines mehrjährigen Projekts markiert: Im Urner Reussdelta entstehen bis 2027 rund sieben Hektaren neue Flachwasserzonen – das entspricht zehn Fussballfeldern. Dies in den beiden Schüttgebieten Schanz und Allmeini.
Wer auf den Urnersee blickt, wird die grossen Veränderungen allerdings nicht sehen können: Flachwasserzonen sind Flächen mit bis zu zehn Metern Wassertiefe.
Hier kann das Sonnenlicht den Seegrund noch erreichen. Unter diesen Umständen können Wasserpflanzen und Algen wachsen. Sie stabilisieren den Seegrund und verbessern die Wasserqualität.
Durch den Kiesabbau und die Begradigung der Reuss sind die Flachwasserzonen teils verschwunden.
Ausserdem sind Flachwasserzonen wichtige Lebensräume für Tiere: Sie bieten Schutz, Nahrung und dienen als Stätte der Fortpflanzung. Beispielsweise für die Seeforelle, die Erdkröte oder die Wasserassel.
«Durch den Kiesabbau und die Begradigung der Reuss sind die Flachwasserzonen teils verschwunden», sagt Alexander Imhof, Leiter des Amts für Umwelt im Kanton Uri. «Darum wollen wir sie wiederherstellen.» Ziel ist es, den Zustand von 1913 zu erreichen.
Gestein stammt von zwei Grossprojekten
Täglich fahren fortan mehrere Güterzüge von Göschenen nach Flüelen und befördern Material aus dem Berg ans Ufer des Urnersees. Aktuell sind es bis zu 4000 Tonnen jeden Tag. Ab dem Frühling dann fast 7000 Tonnen.
Nauen, also Lastschiffe, bringen das Felsmaterial dann an die gewünschte Stelle im Wasser. Dort kippen sie es direkt auf den Seegrund.
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Bild 1 von 5. Am Montagmorgen ist der erste Güterzug mit Ausbruchmaterial in Flüelen angekommen. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 2 von 5. Im Industriehafen in Flüelen wird das Gestein direkt auf unterirdische Förderbänder abtransportiert. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 3 von 5. Das Felsmaterial wird anschliessend auf Nauen geladen. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 4 von 5. Der Nauen fährt ins Schüttgebiet im Urnersee. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 5 von 5. Dort wird das Material via Klappe an der betreffenden Stelle ins Wasser gekippt. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
Das Material fällt von zwei Grossprojekten an: Zwischen Göschenen UR und Airolo TI entsteht bis 2030 die zweite Röhre des Gotthard-Strassentunnels. Die Tunnelbohrmaschinen bringen vor allem Granit und Gneis zutage.
Parallel dazu läuft die Baustelle für die Neue Axenstrasse. Hierfür braucht es unter anderem in Sisikon einen neuen Tunnel, was ebenfalls Ausbruchmaterial zur Folge hat. Hauptsächlich Kalk und Mergel.
Die Schüttung bringe einige Herausforderungen mit sich, sagt Alexander Imhof, Leiter des Amts für Umwelt im Kanton Uri. So gelte es beispielsweise, die Trübung des Sees so gering wie möglich zu halten. Ein weiterer Knackpunkt sei Arsen, das natürlicherweise in Granit und Gneis vorkomme. «Hier muss man aufpassen, dass sich das Arsen nicht im Wasser freisetzt.» Darum gebe es spezielle Vorgaben bei der Schüttung.
Urner Erfolgsgeschichte findet Nachahmer
Die Seeschüttung kostet insgesamt 62 Millionen Franken. Sie leiste einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Lebensraums im Urnersee geleistet, betont auch der Urner Umweltdirektor Christian Arnold. «Ziel ist es, das Leben unter Wasser zu fördern und neue Lebensräume zu schaffen.»
Die Erfolgsgeschichte finde auch Nachahmer in anderen Kantonen: So sei auch in Obwalden, im Alpnachersee, eine Schüttung in Gange. Und ähnliche Projekte gebe es auch in der Westschweiz.