Menschen in Haft hätten dieselben Rechte und Pflichten wie Menschen in Freiheit, findet Barbara Rohner vom schweizerischen Kompetenzzentrum für Justizvollzug. Das gelte auch in puncto Sterbehilfe. «Den Insassen muss das Recht auf die Inanspruchnahme einer Suizidhilfeorganisation zugestanden werden», ist Rohner überzeugt. Sie leitet die Expertinnen- und Expertengruppe, welche das Grundlagenpapier für die Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (kurz: KKJPD) verfasst hat.
Klar definierte Einschränkungen
Darin heisst es: Sterbehilfe im Gefängnis ja, aber mit ganz klar definierten Regeln und Einschränkungen. So müssten zunächst alle Alternativen, etwa Palliativmedizin oder die Art des Vollzugs, sorgfältig geprüft worden sein. Zudem müsste die Person schwer physisch oder psychisch krank sein und ihre Urteilsfähigkeit bestehen. «Erst dann darf man als Insassin oder als Insasse eine Sterbehilfeorganisation beiziehen», sagt Rohner.
Wenn man das jetzt ermöglicht, wird es sehr problematisch.
Hans Wolff, Präsident der schweizerischen Gefängnisärzte, ist zwar ebenfalls der Meinung, ein Mensch müsse über seinen Tod selbst entscheiden können. Er mahnt jedoch auch zur Vorsicht. Im Gefängnis sei das Suizidrisiko zehnmal höher als in Freiheit, weil die Situation im Gefängnis einen Suizidwunsch hervorrufen könne – durch Verlust der Freiheit, Gewalterfahrung, Lärm oder Perspektivlosigkeit. «Wenn man das jetzt institutionalisiert und ermöglicht, wird es sehr problematisch», glaubt Wolff. «Weil man sich sicher sein muss, dass dieser Wunsch auch unabhängig von der Inhaftierung besteht.»
Ob Sterbehilfe für Häftlinge in Zukunft tatsächlich möglich sein wird, ist noch nicht entschieden. Es stehen kontroverse Diskussionen an. Auch darüber, wer oder welche Gremien dann über die Zulassung einer Person zu einem assistierten Suizid entscheiden sollen, und wo dieser durchgeführt werden könnte. Bis Ende Jahr können sich nun die Kantone dazu äussern. Anfang des nächsten Jahres will die KKJPD dann über weitere Schritte entscheiden.