Was ist die Heiratsstrafe? Von Heiratsstrafe ist die Rede, wenn Ehepaare mehr Steuern bezahlen als unverheiratete Paare in einer ähnlichen wirtschaftlichen Situation. Der Grund: die beiden Einkommen der Eheleute werden zusammengezählt und können dann unter einen höheren Steuersatz fallen, als wenn beide einzeln versteuert würden. Bereits 1984 hat das Bundesgericht in einem Leiturteil festgehalten, dass die Heiratsstrafe abgeschafft werden sollte. Seither hat es verschiedene politische Anstrengungen gegeben, bisher ohne Erfolg.
Was will die neue Initiative der Mitte-Partei? Die Initiative für «Faire Steuern» will eine alternative Steuerberechnung. Das heisst, die Steuerämter sollen für jedes Ehepaar die Steuern zweimal berechnen: einmal als Ehepaar und einmal als Einzelpersonen. Das Paar bezahlt dann den tieferen Betrag. Dies gilt aber nur für die direkte Bundessteuer.
Was will die FDP-Initiative zur Individualbesteuerung? Konkret will die Individualbesteuerung, dass die beiden Einkommen eines Ehepaares unabhängig voneinander bewertet werden und deshalb jede Person eine eigene Steuererklärung ausfüllt. Damit werden die beiden Einkommen nicht mehr nach dem höheren Steuersatz des zusammengerechneten Einkommens berechnet. Das gilt für alle Steuerebenen.
Was bedeuten diese Vorschläge für die Steuerzahlenden? Schätzungen des Bundes zufolge würde die Steuerlast mit der Individualbesteuerung für die Mehrheit der Steuerpflichtigen sinken. Beim Mitte-Vorschlag würden alle profitieren, weil die Ehepaare jeweils den für sie günstigeren Tarif bezahlen müssten. Ökonomen des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP an der Universität Luzern haben die Folgen dieser Vorschläge auch untersucht. Sie publizieren nächste Woche eine entsprechende Studie.
Darin kommen sie zum Schluss, dass beide Optionen Reformen für Gutverdienende seien: Wenn man die Haushalte nach dem Einkommen ordnet und in zehn gleich grosse Gruppen aufteilt, profitierten die unteren fünf Gruppen, also die ärmere Hälfte der Schweiz, so gut wie gar nicht, erklärt Martin Mosler vom IWP. Umgekehrt hätten die beiden einkommensstärksten Gruppen am Jahresende mehr Geld in der Tasche: bei der Individualbesteuerung gut 300 Franken, bei der Wahloption sogar fast 900 Franken mehr.
Wie viel Aufwand bringen diese Vorschläge für die Steuerbehörden? Die Einführung der Individualbesteuerung würde bedeuten, dass die Steuerbehörden 1.7 Millionen zusätzliche Steuererklärungen verarbeiten und ihre Systeme anpassen müssten. Deshalb verlangen die Kantone eine Übergangsfrist von zehn Jahren. Eine Mehrheit der Kantone ist indes gegen die Individualbesteuerung.
Auch der Vorschlag der Mitte würde mehr Aufwand für die Behörden bedeuten. Die Steuerbehörden müssten jedes Jahr für alle Ehepaare die Steuern doppelt berechnen.
Was kosten die beiden Konzepte? Bei der Individualbesteuerung geht der Bund davon aus, dass es eine Milliarde Franken weniger Steuereinnahmen geben würde. Davon würden 800 Millionen auf den Bund und 200 Millionen auf die Kantone entfallen.
Auch für das Modell der Mitte gibt es Berechnungen des Bundes. Diese stammen aus früheren Überlegungen, wie die Familienbesteuerung reformiert werden könnte. Für ein ähnliches Modell berechnete der Bund 2018 Mindereinnahmen von 1.16 Milliarden Franken.