Worum geht es? Hunderte Häftlinge müssen in französischen Gefängnissen auf dem Boden schlafen, weil diese chronisch überfüllt sind. Das belegt der aktuelle Jahresbericht der unabhängigen nationalen Gefängnisinspektion. Dominique Simonnot ist Chefin der unabhängigen Behörde und beschreibt die Zustände in den Gefängnissen als «katastrophal». In Einzelzellen seien teilweise bis zu drei Personen untergebracht gewesen. Jene Personen, die auf dem Boden schlafen mussten, hätten sich Taschentücher in Nasen und Ohren gestopft, damit kein Ungeziefer in die Öffnungen krieche.
Wie sieht die Situation in der Schweiz aus? Verglichen mit Frankreich steht die Schweiz gut da. Das sagt Daniel Fink. Er hat ein Buch über die Situation in Schweizer Gefängnissen geschrieben und lehrt an der Schule für Kriminalwissenschaften an der Uni Lausanne.
«Die Schweiz hatte in den letzten zwei Jahrzehnten zwar ebenfalls eine angespannte Lage, diese wurde durch Covid aber etwas verbessert. Die Abstandsempfehlung zwischen Personen führte relativ schnell zu einem Abbau der Belegung», sagt er. Seit 2004 waren die Gefängnisse in Genf, etwas später auch jene im Kanton Waadt, massiv überbelegt. Das Untersuchungshaft-Gefängnis Champ-Dollonwar in gewissen Zeiten bis zu 250 Prozent überbelegt. In der Schweiz existiere ein Röstigraben zwischen Waadt, Genf und dem Rest dem Landes.
Woher kommt der Röstigraben? Laut Fink hat Genf keine höhere Rate an Delinquenten als andere Kantone. Es gebe aber eine strengere Haltung bei den Behörden. Der Staatsanwalt aus Genf, Olivier Jornot, habe 2019 gesagt, dass Ausländer, vor allem jene ohne Wohnsitz, nur Haft und Ausweisung verstünden. «Hier sieht man eine pauschale Verurteilung von jeder Person, die irgendeine kleine Übertretung macht.» Man sehe das auch daran, dass es in Genf sehr kurze Untersuchungshaft gebe. Rund ein Drittel der Untersuchungshaften werden in Genf angewendet, für fünf Prozent der Bevölkerung. Durchschnittlich sind die Personen zwei Tage im Gefängnis. Wenn man Genf und Waadt zusammenzählt, kommen die beiden Kantone etwa auf die Hälfte aller Freiheitsstrafen, die in der Schweiz ausgesprochen werden.
Wieso ist das problematisch? Die Überbelegung führt zu höheren Risiken bei den Insassen, aber auch beim Personal, da sich das Personal nicht so schnell um jeden Insassen kümmern kann. Das führt zu Spannungen und diese führen zu höheren Gewaltausbrüchen, zu Depressionen, zu Selbstverstümmelung, zu Problemen von Gewalt gegenüber dem Personal oder vom Personal gegenüber den Insassen, so Fink. «Das ist ein Problem für die Lebensqualität im Vollzug.» Auch die nationale Kommission zur Verhütung von Folter hat in ihren Jahresberichten jeweils über diese problematische Situation berichtet. Und auch Frankreich mache offenbar zu wenig, um diese prekäre Situation in den Gefängnissen zu verhindern.