Nach vier Stunden Debatte schwingen die Türen des Nationalratssaals auf, Christian Imark kommt aus dem Saal, dicht gefolgt von SP-Nationalrat Roger Nordmann: «Was zählt, ist das Ergebnis», sagen die beiden und klopfen sich auf die Schultern.
Imark hatte beim nationalrätlichen Ja zur Nothilfe für die angeschlagenen Stahlwerke in der Schweiz eine Schlüsselrolle. Zusammen mit Nordmann reichte er den gleichlautenden Vorstoss für Überbrückungshilfen ein. Als Urek-Präsident sorgte er zudem dafür, dass das Thema rasch behandelt wird. Der Nationalrat stimmte mit 105 gegen 84 Stimmen zu, auch dank der 17 Stimmen aus der SVP und deren fünf aus der FDP.
«Ich bin sehr erleichtert. Es war offensichtlich, dass es für das Werk Gerlafingen eine Zukunftsperspektive gibt», so Imark. Gegen sich hatte er die SVP, deren Bundeshausfraktion solche Staatshilfen scharf kritisierte.
Dass der 42-Jährige Solothurner abweicht, ist keine Premiere. Auch beim Stromgesetz, das im Juni vom Stimmvolk angenommen wurde, trat Imark als flammender Befürworter auf. Die Parteispitze um Marcel Dettling und Magdalena Martullo Blocher kämpften dagegen.
Zum erneuten Abweichen sagt SVP-Präsident Marcel Dettling: «Den Punkt werden wir intern sicher noch besprechen. Das gibt es in verschiedenen Bereichen immer wieder, gerade bei Interessenvertretungen im Strombereich. Das ist nicht positiv für die künftige Ausrichtung unserer Partei.»
Ich bin hier, um zu denken und um Lösungen zu finden. Wem das nicht passt, der kann eine andere Meinung haben.
Übelnehmen will es Dettling seinem Parteikollegen aber nicht, dass sich dieser für Solothurner Anliegen eingesetzt hat. Imark sieht die Sachlage bei den Stromvorlagen anders und merkt an: «Man kann sich auch fragen, ob diese Parolen immer richtig sind.»
Und im Fall der Hilfe für Stahl Gerlafingen betont Imark: «Ich bin von der Bevölkerung des Kantons Solothurn gewählt, um hier das Volk und die Schweiz bestmöglich zu vertreten. Ich bin hier, um zu denken und um Lösungen zu finden. Wem das nicht passt, der kann eine andere Meinung haben. Aber es gibt kein Instruktionsrecht.»
Scharfe Kritik an Einfallstor für Industriepolitik
In bürgerlichen Kreisen kommt das nicht gut an, dass Imark für die Überbrückungshilfe lobbyiert hat. Laut dem Berner FDP Nationalrat Christian Wasserfallen wäre die Idee chancenlos gewesen, wäre sie rein von links-grün gekommen: «Tür und Tor sind jetzt offen für solche Lösungen. Wer sind die nächsten Branchen, die kommen?»
Die Lösung wurde aber auch möglich, weil die Staatshilfe geschickt über die Umwelt- und Energiegesetzgebung ins Parlament gebracht wurde. Damit es keine eigentliche Industriepolitik ist – obwohl sie Gegner aus FDP und SVP als genau das bezeichnen. Ein weiterer Grund ist, dass die Hilfe geografisch breit abgestützt wurde. Mit dem Werk im Wallis wurden auch die Romands an Bord geholt. Viele der Abweichler bei FDP und SVP stammen aus der Westschweiz.
Imark hat Unabhängigkeit und politischen Mut gezeigt. Den braucht es, um gegen die geschlossene Rennleitung der eigenen Partei anzutreten.
Sowohl an Nordmann als auch an Imark eine SMS geschrieben hat heute Roberto Zanetti, der frühere Gemeindepräsident und alt Ständerat des Kantons Solothurn. Zanetti sagt: «Imark hat Unabhängigkeit und politischen Mut gezeigt. Denn braucht es, gegen die geschlossene Rennleitung der eigenen Partei anzutreten. Dafür gebührt ihm wirklich ein Kompliment.»