Kriegsmaterialexporte aus der Schweiz: Das Thema beschäftigt unser Land wegen des Ukraine-Kriegs seit Monaten. Jetzt will der Bundesrat das Kriegsmaterialgesetz in bestimmten Fällen lockern. Er unterstützt damit einen Vorstoss aus dem Ständerat.
Konkret soll der Bundesrat in Ausnahmefällen selber über eine Kriegsmaterialausfuhr entscheiden können. SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf hat die Antwort des Bundesrates auch gelesen und ist fassungslos: «Ich muss ehrlich sagen: Da verstehe ich die Welt nicht mehr.»
Neuer Anlauf im Parlament
Der Hintergrund: Bei der Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes vor zwei Jahren verlangten bürgerliche Politiker, dass der Bundesrat in gewissen Situationen einen Spielraum für den Export von Waffen haben soll – und zwar in ausserordentlichen Umständen und wenn es die aussen- und sicherheitspolitischen Interessen des Landes erfordern.
Indirekte Waffenlieferungen in die Ukraine sollen nicht möglich sein. Aber bei direkten Waffenlieferungen in ‹Grüselstaaten› will der Bundesrat Ausnahmen bewilligen können.
Die Bürgerlichen scheiterten allerdings damit. Doch nun unternehmen sie einen neuen Anlauf. Der Bundesrat unterstützte dieses Anliegen schon damals und er tut dies auch jetzt wieder.
Das versteht Seiler Graf beim besten Willen nicht, weil am Ende eines langen demokratischen Prozesses entschieden worden sei. «Indirekte Waffenlieferungen in die Ukraine sollen nicht möglich sein», kritisiert die SP-Nationalrätin. «Das wären Lieferungen, die die Ukraine direkt unterstützen und ihr helfen würden. Aber bei direkten Waffenlieferungen in ‹Grüselstaaten›, die die Menschenrechte nicht hochhalten, will der Bundesrat Ausnahmen bewilligen können.» Gemeint sind hier Waffen für Staaten wie Katar oder auch Saudi-Arabien.
Widerspruch aus dem bürgerlichen Lager
Es gibt allerdings auch eine ganz andere Sicht der Dinge, und diese vertritt SVP-Ständerat Alex Kuprecht. Für ihn hat der Krieg in der Ukraine die Ausgangslage komplett verändert. Und: Wäre diese Regelung bereits heute geltendes Recht, hätte der Bundesrat auch bei der Weitergabe von Waffen an die Ukraine grösseren Spielraum gehabt: «Der Bundesrat hätte diese Klausel des Kriegsmaterialgesetzes anwenden können und die nötige Flexibilität gehabt, um aus sicherheits- und vor allem auch aussenpolitischen Gründen von seiner starren Haltung abweichen zu können.»
Der Bundesrat hätte Deutschland zum Beispiel für die Weitergabe von Munition an die Ukraine grünes Licht hätte geben können – sagt Kuprecht. Gleich äussern sich auch Vertreter der Mitte, die im Parlament den Ausschlag geben werden. Gut möglich, dass das Parlament jetzt Ja zu dieser Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes sagt.
Ukraine-Krieg gibt Vorhaben Rückenwind
Doch damit würde sich das nächste Problem stellen: Wenn die Schweiz nämlich erst jetzt das Gesetz ändert, da der Krieg schon Realität ist, könnte sie trotzdem keine Waffenweitergabe an die Ukraine gutheissen. Das bestätigt auch Kuprecht: «In der Zwischenzeit läuft der Krieg seit eineinhalb Jahren. Aus neutralitätsrechtlichen Überlegungen ist die Waffenweitergabe jetzt nicht mehr möglich.»
Mit einem aktiven gesetzgeberischen Eingreifen in einen laufenden Krieg und einer entsprechenden Waffenweitergabe würde die Schweiz die Neutralität verletzen – das sagt auch der Bundesrat. Trotzdem gibt der Ukraine-Krieg diesem Vorhaben politischen Rückenwind. Die Bürgerlichen wollen damit auch explizit die hiesige Waffenindustrie unterstützen.