Tief waren die Gräben im Herbst 2020. Nach der Ablehnung des Jagdgesetzes, das den Abschuss von Wölfen stark erleichtert hätte, fühlten sich im ländlichen Raum und in Berggebieten viele Menschen unverstanden und bevormundet.
Es sei zunächst schwierig gewesen, einen Dialog zu starten, erinnert sich Urs Leugger, Geschäftsleiter von Pro Natura, Biologe und erfolgreicher Gegner des Jagdgesetzes. Erst mehrere Monate nach der Abstimmung sei es dann aber gelungen und der Entscheid für einen gemeinsamen Runden Tisch gefallen.
Sorgen aller Seiten aufgenommen
Allmählich ist das Eis also gebrochen, und die Vertreterinnen und Vertreter von Naturschutz, Landwirtschaft, Jagd und Berggebieten begannen ernsthaft miteinander über den Wolf zu diskutieren. Dabei sind sich die verschiedenen Seiten auch nähergekommen.
So zeigen die Naturschutz-Organisationen Verständnis für die Sorgen der Landbevölkerung. «Die wachsenden Wolfsbestände bringen ganz grosse Herausforderungen, insbesondere für die Landwirtschaft, mit sich. Entsprechend braucht es eine gewisse Flexibilisierung im Umgang mit dem Wolf», stellt Leugger fest.
Die wachsenden Wolfsbestände bringen ganz grosse Herausforderungen, insbesondere für die Landwirtschaft, mit sich.
Präventiver Wolfsabschuss soll möglich sein
Konkret heisst das: Es soll möglich sein, gewisse Wölfe abzuschiessen, bevor sie Schäden angerichtet haben. Dies aber nur dann, wenn erwartet werden muss, dass die Wölfe in dieser Gegend wesentliche Schäden anrichten werden. Ausserdem sollen die regionalen Wolfsbestände nicht in ihrer Existenz gefährdet werden.
So steht es auch im gemeinsamen Dokument von Naturschutz-, Landwirtschafts- und Jagdorganisationen. Ein wichtiges Dokument, mit dem ein Prozess in Gang komme, unterstreicht Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbandes SBV: «Ich bin eigentlich sehr zuversichtlich, weil das Problembewusstsein gewachsen ist. Alle sind heute der Meinung, dass es eine neue Wolfsregulation braucht, wobei auf Extremforderungen verzichtet wird.»
Alle sind heute der Meinung, dass es eine neue Wolfsregulation braucht, wobei auf Extremforderungen verzichtet wird.
Der Verzicht auf Extrempositionen bedeutet folgendes: Die Naturschützer akzeptieren eine gewisse Regulierung der Wolfsbestände und die Bauern akzeptieren, dass der Wolf ein Recht hat, in der Schweiz zu sein. Bleibt die Frage, wie das politisch umgesetzt werden soll. Denn die Umweltkommission des Ständerates arbeitet bereits an einem neuen Jagdgesetz.
Ein Dokument ohne weitere Bedeutung?
Der Walliser Mitte-Ständerat Beat Rieder äussert sich eher distanziert zum Dokument von Naturschützern und Bauernverband: «Dem Dokument kommt keine weitere Bedeutung zu. Wir haben festgestellt, dass es eine präventive Regulierung braucht und dass sie unabhängig vom Schaden passieren muss.» Laut Rieder sollte es auch möglich sein, ganze Wolfsrudel zu entfernen.
Wir haben festgestellt, dass es eine präventive Regulierung braucht und dass sie unabhängig vom Schaden passieren muss.
War also die ganze Arbeit am Dokument umsonst? Nein, sagt SBV-Direktor Rufer: «Die ständerätliche Kommission hat jetzt zwar einen anderen Vorschlag gemacht, aber die Diskussionen in den Räten gehen weiter. Ich bin zuversichtlich, dass es am Schluss eine gute Lösung gibt.»
Die Gräben beim Thema Wolf sind also etwas weniger tief als noch vor einem Jahr. Aber bei den Einzelheiten gibt es noch einigen Diskussionsbedarf.