Die EU droht, dass sie den Druck auf die Schweiz erhöhen wird, falls der Bundesrat das Rahmenabkommen nicht unterzeichnet. In erster Linie steht da die Schweizer Börse – die EU anerkennt die Schweizer Börsenregulierung nur noch bis Ende Juni als gleichwertig. Falls sie diese «Äquivalenz» nicht verlängert, drohen der Börse massive Verluste.
Auch beim Schweizer Medizinaltechnikverband klingelten die Alarmglocken, als EU-Kommissar Johannes Hahn letzten Herbst ankündigte, die EU werde nicht nur keine neuen Verträge mit der Schweiz mehr abschliessen, sondern auch bestehende nicht mehr weiterführen.
Sie fürchten, dass die EU bald Medizinalprodukte aus der Schweiz nicht mehr als gleichwertig anerkennen könnte. Sie empfehlen ihren Mitgliederfirmen deshalb, Massnahmen zu ergreifen. Peter Studer vom Verband Swiss Medtech erklärt: «Wir sagen, bereitet euch vor. Schaut, dass ihr einen Vertreter von euch im EU-Raum installiert.»
Kostspielige Vertretung
Der Verband schätzt, dass es die Branche in den nächsten drei Jahren rund eine Milliarde Franken kosten würde, in der EU solche Vertreter anzustellen. Zusätzlich würde die ganze Übung Zeit kosten. Swiss Medtech rechnet mit einem Verzug der Zulassung von einem Jahr.
Die Schweizer Behörden wollen das nicht einfach hinnehmen. Bisher unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sie eine Gegenmassnahme in eine neue Verordnung für Medizinprodukte hineingeschrieben, die letzten Monat in die Vernehmlassung geschickt wurde. Demnach müssten umgekehrt auch Firmen aus der EU Vertreter in der Schweiz installieren. Diese Änderung wurde ohne grosses Tamtam aufgenommen, denn man möchte die Lage nicht eskalieren lassen.
Bundesrat reagiert
Bei der Börse hat der Bundesrat schon vor einem Jahr einen Plan B angekündigt: Wenn die EU die Schweizer Börsenregulierung nicht als gleichwertig anerkennt, so tut sie das gleiche: Sie will die Gleichwertigkeit der EU-Handelsplätze etwa aberkennen.
Das würde bedeuten, dass keine Schweizer Wertpapiere mehr etwa an der Frankfurter Börse verkauft werden dürften. Finanzminister Ueli Maurer sagte damals: «Es ist keine Drohkulisse. Es ist eine defensive Verteidigung unserer Infrastrukturen. Ich glaube nicht, dass die EU das als Drohkulisse empfindet.»
Das war ein Zeichen an die EU, dass sich die Schweiz trotz allem lieber nicht auf ein Kräftemessen einlassen möchte. Sie hätte viel zu verlieren, da die EU die mit Abstand wichtigste Handelspartnerin ist.
Eine weitere Branche, die rasch von Sticheleien aus Brüssel betroffen werden könnte, ist die Forschung. Die Schweiz könnte von der Fortsetzung des EU-Forschungsprojektes Horizon 21 ausgeschlossen werden. Die Schweizer Universitäten werden dann versuchen, sich mit einzelnen Instituten im EU-Raum bilateral zu vernetzen.
So wie sie es vor ein paar Jahren taten, als die EU die Forschungskooperation nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative aussetzte. Der Erfolg der Gegenmassnahmen war damals allerdings mässig. Die Teilnahme der Schweiz an Projekten halbierte sich, die Zahl der inter-europäischen Forschungsprojekte, in denen die Schweiz den Lead hatte, sank um neunzig Prozent.
Wirtschaftlich steht viel auf dem Spiel. Eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass die Schweiz vom freien Marktzugang in Europa sehr stark profitiert: Pro Kopf gerechnet sogar noch stärker sogar als alle Mitgliedsländer der EU.