Fünf Jahre lang hat eine Forschungsgruppe den Stromverbrauch von rund 5000 Haushalten in der Schweiz untersucht und mit den Bewohnerinnen und Bewohnern geredet. Das Ergebnis: Steigt der Strompreis, sparen die Haushalte Energie. Und das nicht nur kurzfristig, sondern auch auf Dauer, erklärt Nina Boogen, Umwelt- und Energieökonomin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
«Kurzfristig können Haushalte vor allem über das Verhalten auf eine Strompreisveränderung reagieren. Langfristig können wir zum Beispiel unseren Kühlschrank ersetzen. Das macht einen grossen Unterschied», so Boogen. Ein Rechenbeispiel: «Angenommen, der Strompreis erhöht sich um 10 Prozent. Kurzfristig werden wir etwa 3 Prozent einsparen können. Aber über ein Jahr hinweg sind es dann bis zu 7 Prozent, die wir auf Basis von dieser Preisveränderung von 10 Prozent einsparen.»
Mehr Potenzial bei Wohneigentum
Bei einem 10 Prozent höheren Strompreis können langfristig bis zu 7 Prozent Strom eingespart werden, weil die Haushalte effizientere Haushaltsgeräte einbauen oder die Heizung wechseln. Das funktioniert vor allem bei Wohneigentum. Dann profitieren die Eigentümer direkt von den Investitionen in neue Geräte. In einer Mietwohnung funktioniert diese Rechnung jedoch nur bedingt. Der Mieter oder die Mieterin spart nur dann Strom, wenn die Eigentümerschaft auch wirklich bereit ist, in neue, sparsame Geräte zu investieren.
In der Stadt Zürich zahlt man nur noch für das, was man verbraucht.
Hinzu kommt, dass die Energieversorger in vielen Gemeinden einen Grundpreis für die Stromnutzung verlangen. Das verzögert die Angaben zum Verbrauch. «Das sind 10, 20 Franken pro Monat, die man sowieso zahlt, egal wie viel man an Strom konsumiert», sagt Boogen. Das sei ein Problem, weil man so ökonomisch gesehen einen Anreiz habe, mehr zu konsumieren. «Deshalb hat zum Beispiel die Stadt Zürich den Grundpreis abgeschafft. Man zahlt nur noch für das, was man verbraucht.»
Preis steuert Nachfrage
Das Zürcher Modell bilde ein klassisches, ökonomisches Prinzip ab, erklärt sie: Der Preis steuert die Nachfrage nach Strom. Allerdings waren sich bisher die meisten Haushalte nur am Rande bewusst, dass Strom einen Preis hat. Doch Strom ist in den vergangenen Monaten teurer geworden. Im nächsten Jahr steigen die Preise im Schnitt um 27 Prozent.
Ob der hohe Preis jetzt in ein anderes Verhalten umschlägt, bleibt abzuwarten.
Und ein weiterer wichtiger Faktor beeinflusse dieses Modell, sagt die Ökonomin: das Bewusstsein. «In der jetzigen Situation, durch all diese Medienberichte, sind wir uns auch noch viel mehr bewusst: Strom hat tatsächlich einen Preis. Und der Bundesrat sagt, wir sollten sparen. Diese Effekte der Sichtbarkeit kommen dann noch obendrauf zu diesem Einsparpotenzial.»
Nur langsames Umdenken
Dies müsste eigentlich bedeuten: In der Schweiz wird der Stromverbrauch sehr deutlich sinken. Ja, aber, sagt Boogen: «Das hängt sehr davon ab, wie kurz- oder langfristig die Preise jetzt hoch bleiben oder eben nicht.» Will heissen: Ein Umdenken beim Stromverbrauch erfolgt nur langsam. «Ob das jetzt in ein anderes Verhalten umschlägt, das bleibt abzuwarten. Verhaltensänderungen sind doch nicht ganz so einfach zu erstellen, aber die Hoffnung ist durchaus da.»
Nach der Diskussion um eine mögliche Strommangellage könnte das Bewusstsein, mit der Ressource Strom haushälterisch umzugehen, schnell wieder abnehmen. Vor allem dann, wenn die Folgen im Portemonnaie nicht mehr deutlich spürbar sind.