Der Superspreading-Vorfall im Zürcher Club Flamingo wirft Fragen zur Tracing-Praxis auf, haben doch viele der 300 Besucher falsche Kontaktdaten angegeben. Dass das Superspreading bei Corona eine grosse Rolle spiele, sei aber nicht nur eine schlechte Nachricht, sagt Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.
SRF News: Im Zürcher Club Flamingo gaben viele Besucher falsche Kontaktdaten an. Was ist die Folge?
Katrin Zöfel: Menschen, die man nicht nachverfolgen kann, weil sie eine falsche Adresse angeben, können nicht nur selber krank werden, sondern auch das Virus unbemerkt weitertragen und weitere Menschen anstecken. Infektionsketten zu brechen, funktioniert so einfach nicht.
Woher wissen die Behörden, wer genau der Superspreader aus der betroffenen Gruppe war?
Das ergibt sich aus der zeitlichen Abfolge. Offenbar ist klar, dass eine Person zuerst positiv getestet wurde. Kurz darauf entwickelten die anderen aus dieser Gruppe Symptome und wurden dann getestet. Insofern ist es wohl eindeutig, von wem es ausging.
Spannend wird jetzt sein, wie viele der 300 Menschen, die am Abend im Club waren, gefunden werden und wie viele eine Infektion entwickeln. Erst dann weiss man, ob die Kontrolle via Contact Tracing zumindest halbwegs funktioniert und welches Ausmass dieser Fall vom 21. Juni in Zürich noch annimmt.
Spannend wird jetzt, wie viele der 300 Menschen, die am Abend im Club waren, gefunden werden und wie viele eine Infektion entwickeln.
Wie weiss man, dass jemand ein Superspreader ist?
Der Begriff «Superspreader» ist ein Stück weit irreführend. Superspreading-Event wäre besser, weil es nicht nur am Infizierten selber hängt, sondern am ganzen Umfeld. Zum einen steht da der Infizierte. Zugleich gibt es bei Covid-19 offenbar Menschen, in denen sich das Virus besonders stark vermehrt und sie darum entsprechend viel ausschütten. Hier ist es möglich, dass Vorerkrankungen eine Rolle spielen oder ein schwaches Immunsystem. Was Forscher klar zeigen konnten: Es gibt bei vielen Infizierten ein kritisches Zeitfenster, in dem sie besonders ansteckend sind. Davor und danach sind sie viel weniger starke Virenschleudern.
Wirklich gefährlich für andere wird es dann, wenn eine hochinfektiöse Person in eine Situation kommt, wo sie viele anstecken kann. Wenn jemand also beispielsweise in eine enge Bar oder an ein Konzert geht, wo sie wegen der Geräuschkulisse besonders laut spricht. Zu denken ist etwa auch an eine Chorprobe. Singen und lautes Sprechen produzieren besonders viele Tröpfchen.
Es ist also viel Zufall im Spiel, ob es zu einem Superspreading-Event kommt?
Das stimmt. Dazu kommt aber: Je mehr Menschen jetzt unvorsichtig sind und je mehr sich das Virus wieder verbreitet, umso wahrscheinlich wird ein solcher Vorfall.
Dass das Superspreading bei Corona eine grosse Rolle spielt, ist aber nicht nur eine schlechte Nachricht. Denn es heisst nichts anderes, als dass viele Corona-Infizierte wieder gesund werden, ohne viele andere anzustecken. Allerdings kann an einigen wenigen Stellen besonders viel passieren. Oft sind das Bars wie in Ischgl oder auch Fitnessclubs oder jetzt der Club in Zürich. Wenn man klärt, welche Orte besonders gefährlich sind und da eingreift und Superspreading verhindert, hat man sehr viel gewonnen, um die Epidemie zu bremsen.
Wenn man klärt, welche Orte besonders gefährlich sind und da eingreift, hat man sehr viel gewonnen.
Das Gespräch führte Roger Aebli.