Am 12. Mai hatte die Zürcher Hebamme Lena Frey genug. Sie teilte folgende Mitteilung auf Facebook:
Das Klatschen habe sie schon ein bisschen stolz gemacht, sagt Frey – aber auch wütend. «Vom Klatschen allein habe ich noch nicht gegessen», habe sie gedacht. Denn während für diverse Wirtschaftszweige Milliarden Franken an Bundeshilfen gesprochen wurden, der Sport oder die Winzer Millionen erhielten, passierte im Gesundheitsbereich nichts.
Vom Klatschen allein habe ich noch nicht gegessen.
Im Gegenteil, sagt Frey. Viele Hebammen und Pflegepersonen hätten am Anfang der Coronakrise nicht einmal genügend Schutzmaterial gehabt. Dabei, sagt sie, wären Verbesserungen für ihren Berufsstand dringend nötig. Dazu gehörten eine bessere Bezahlung, Pikett-Entschädigungen und mehr Personal.
Die Forderung nach einer allgemeinen Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist nicht neu. Aber durch die Coronakrise erhält sie mehr Aufmerksamkeit. Bereits 2017 lancierte der Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer die sogenannte Pflegeinitiative. Sie fordert eine Aufwertung des Berufes und bessere Ausbildungsbedingungen.
Nun kommt die Initiative ausgerechnet diese Woche in den Ständerat. Dort stösst sie auf mehr Verständnis als vor Corona. Das bestätigt Erich Ettlin. Der Obwaldner CVP-Ständerat und Vizepräsident der Gesundheitskommission sagt: «Man ist sich bewusst geworden, wie abhängig wir von genügend Pflegekräften sind.»
Wir sind abhängig von genügend Pflegekräften.
Die ständerätliche Gesundheitskommission lehnt die Pflegeinitiative zwar nach wie vor ab, möchte aber in einem indirekten Gegenvorschlag den Ausbildungsbereich nun um 100 Millionen Franken aufstocken. Das hatte sie im Februar noch abgelehnt. Um weitere Punkte der Vorlage wird nach wie vor gerungen.
Immerhin aber zeigt das Beispiel, dass sich die Diskussionen um eine Aufwertung des Pflegeberufes unter dem Eindruck der Coronakrise verändert haben.
SP will Bonus verteilen
Doch was ist mit den anderen systemrelevanten Berufen, die keine Initiative am Start haben? Den Verkäuferinnen oder den Kita-Angestellten? Auch sie sollen eine Anerkennung erhalten, fordert die SP und hat eine Fraktionsmotion eingereicht.
Die Forderung: Der Bund solle den Angestellten, die während der Coronakrise als systemrelevant eingestuft wurden, eine Prämie in der Höhe von 5000 Franken bezahlen.
Laut SP-Nationalrätin Tamara Funiciello ist das Geld vorhanden. «Wir konnten schliesslich auch 1.9 Milliarden für die Swiss aufwerfen.» Auch für CVP-Ständerat Ettlin ist das «eigentlich eine sympathische Idee». Trotzdem lehnt er sie ab. Für ihn ist nicht klar, wer eine Prämie erhalten würde und wer nicht.
Lohnverhandlungen im Herbst
Das Argument der Systemrelevanz in der Coronakrise wird laut Funiciello im Herbst wahrscheinlich auch bei den Tarifverhandlungen zu den Gesamtarbeitsverträgen eingebracht werden. Dann geht es um mögliche Lohnerhöhungen. Da jedoch warnt Ettlin vor zu grossen Erwartungen. Nach der Coronakrise sei es schwierig, weitere finanzielle Forderungen zu verkraften.
Heisst das also: Ausser Klatschen auf dem Balkon doch nichts gewesen? «Nicht ganz», sagt Hebamme Frey. Wahrscheinlich werde man für eine nächste Gesundheitskrise – eine neue Pandemie etwa – besser vorbereitet sein. So dürfte es dannzumal von Anfang an genügend Schutzmaterial für alle haben. Doch sie sagt auch: «Dass sich in Zukunft wirklich etwas ändert, glaube ich nicht.»