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Klatschen allein reicht nicht – es werden Taten gefordert
Aus Rendez-vous vom 08.06.2020. Bild: Keystone
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Systemrelevante Berufe Ausser Klatschen nichts gewesen?

Pfleger, Verkäuferinnen, ÖV-Personal: Systemrelevant, aber oft schlecht bezahlt. Daran ändern wird sich wohl nicht viel.

Am 12. Mai hatte die Zürcher Hebamme Lena Frey genug. Sie teilte folgende Mitteilung auf Facebook:

Das Klatschen habe sie schon ein bisschen stolz gemacht, sagt Frey – aber auch wütend. «Vom Klatschen allein habe ich noch nicht gegessen», habe sie gedacht. Denn während für diverse Wirtschaftszweige Milliarden Franken an Bundeshilfen gesprochen wurden, der Sport oder die Winzer Millionen erhielten, passierte im Gesundheitsbereich nichts.

Vom Klatschen allein habe ich noch nicht gegessen.
Autor: Lena FreyHebamme in Zürich

Im Gegenteil, sagt Frey. Viele Hebammen und Pflegepersonen hätten am Anfang der Coronakrise nicht einmal genügend Schutzmaterial gehabt. Dabei, sagt sie, wären Verbesserungen für ihren Berufsstand dringend nötig. Dazu gehörten eine bessere Bezahlung, Pikett-Entschädigungen und mehr Personal.

Die Forderung nach einer allgemeinen Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist nicht neu. Aber durch die Coronakrise erhält sie mehr Aufmerksamkeit. Bereits 2017 lancierte der Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer die sogenannte Pflegeinitiative. Sie fordert eine Aufwertung des Berufes und bessere Ausbildungsbedingungen.

Pflegerin im Vordergrund, im Hintergrund eine Pflegeperson arbeitet mit einem Patienten, beide tragen Gesichtsmasken.
Legende: Das Pflegepersonal beklagt seit längerem die schlechten Arbeitsbedingungen. Keystone

Nun kommt die Initiative ausgerechnet diese Woche in den Ständerat. Dort stösst sie auf mehr Verständnis als vor Corona. Das bestätigt Erich Ettlin. Der Obwaldner CVP-Ständerat und Vizepräsident der Gesundheitskommission sagt: «Man ist sich bewusst geworden, wie abhängig wir von genügend Pflegekräften sind.»

Wir sind abhängig von genügend Pflegekräften.
Autor: Erich EttlinStänderat CVP/OW

Die ständerätliche Gesundheitskommission lehnt die Pflegeinitiative zwar nach wie vor ab, möchte aber in einem indirekten Gegenvorschlag den Ausbildungsbereich nun um 100 Millionen Franken aufstocken. Das hatte sie im Februar noch abgelehnt. Um weitere Punkte der Vorlage wird nach wie vor gerungen.

Das will die Pflegeinitiative

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Die «Volksinitative für eine starke Pflege» kurz Pflegeinitiative will sicherstellen, dass Bund und Kantone genügend Pflegefachpersonen ausbilden. Sie sollen «für eine ausreichende, allen zugängliche Pflege von hoher Qualität» sorgen. Denn gemäss dem Initiativkomitee würden derzeit nur rund 43 Prozent der effektiv benötigten Pflegefachpersonen ausgebildet. Und der Bedarf nehme weiter zu. Hinter der Initiative steht der Verband der Pflegefachfrauen und -männer.

Durch die Sicherung der Ausbildung und Qualität und ansprechenden Arbeitsbedingungen soll auch sichergestellt werden, dass weniger Pflegefachpersonen Ihren Beruf verlassen. Zudem sollen die Kompetenzen des Pflegepersonals gestärkt werden. Bestimmte Leistungen sollen ohne ärztliche Anordnung direkt erbracht und mit den Versicherungen abgerechnet werden können. Weiter soll der Bund dafür sorgen, dass Pflegeleistungen angemessen abgegolten werden.

Die Initiative wird derzeit in den beiden Kammern des Parlaments beraten. Der Bundesrat empfiehlt die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Die Gesundheitskommission des Ständerats hat sich nun in einem indirekten Gegenvorschlag dafür ausgesprochen, zusätzlich 100 Millionen Franken in die Ausbildung zu investieren.

Mit einem inidrekten Gegenvorschlag schlägt das Parlament anstelle einer Verfassungsänderung eine Gesetzesänderung oder ein neues Gesetz vor. Der indirekte Gegenvorschlag erlaubt es den Behörden, auf das Anliegen der Initiative einzugehen, ohne die Verfassung zu ändern.

Immerhin aber zeigt das Beispiel, dass sich die Diskussionen um eine Aufwertung des Pflegeberufes unter dem Eindruck der Coronakrise verändert haben.

Erich Ettlin spricht in ein Mikofon, hinter ihm CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister.
Legende: Ständerat Erich Ettlin (CVP/OW) will dem Pflegepersonal per Gegenvorschlag 100 Mio. Franken pro Jahr zukommen lassen – eine Corona-Prämie in Höhe von 5000 Franken für Angestellte in systemrelevanten Berufen während der Coronakrise will er jedoch nicht. Keystone

SP will Bonus verteilen

Doch was ist mit den anderen systemrelevanten Berufen, die keine Initiative am Start haben? Den Verkäuferinnen oder den Kita-Angestellten? Auch sie sollen eine Anerkennung erhalten, fordert die SP und hat eine Fraktionsmotion eingereicht.

Die Forderung: Der Bund solle den Angestellten, die während der Coronakrise als systemrelevant eingestuft wurden, eine Prämie in der Höhe von 5000 Franken bezahlen.

Funiciello spricht anlässlich der Sommerseession in ein Mikrofon.
Legende: Nationalrätin Tamara Funiciello (SP/BE) will, dass allen, die während des Lockdowns ihre Arbeit in systemrelevanten Berufen weiterhin verrichteten, 5000 Franken Prämie ausbezahlt wird. Keystone

Laut SP-Nationalrätin Tamara Funiciello ist das Geld vorhanden. «Wir konnten schliesslich auch 1.9 Milliarden für die Swiss aufwerfen.» Auch für CVP-Ständerat Ettlin ist das «eigentlich eine sympathische Idee». Trotzdem lehnt er sie ab. Für ihn ist nicht klar, wer eine Prämie erhalten würde und wer nicht.

Lohnverhandlungen im Herbst

Das Argument der Systemrelevanz in der Coronakrise wird laut Funiciello im Herbst wahrscheinlich auch bei den Tarifverhandlungen zu den Gesamtarbeitsverträgen eingebracht werden. Dann geht es um mögliche Lohnerhöhungen. Da jedoch warnt Ettlin vor zu grossen Erwartungen. Nach der Coronakrise sei es schwierig, weitere finanzielle Forderungen zu verkraften.

Heisst das also: Ausser Klatschen auf dem Balkon doch nichts gewesen? «Nicht ganz», sagt Hebamme Frey. Wahrscheinlich werde man für eine nächste Gesundheitskrise – eine neue Pandemie etwa – besser vorbereitet sein. So dürfte es dannzumal von Anfang an genügend Schutzmaterial für alle haben. Doch sie sagt auch: «Dass sich in Zukunft wirklich etwas ändert, glaube ich nicht.»

Rendez-vous, 08.06.2020, 12.30 Uhr

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