Wer heute bei seiner Krankenkasse nur grundversichert ist, muss sich im Fall einer Psychotherapie auch mal gedulden, denn die Kosten werden nur übernommen, wenn sie unter ärztlicher Aufsicht entstehen. Konkret heisst das: Die Psychotherapeutinnen und -therapeuten müssen angestellt sein, etwa von einem Psychiater. So will es das bisherige Delegationsmodell.
Neu soll das sogenannte Anordnungsmodell gelten. Hier ordnet eine Ärztin oder ein Arzt die nötige Therapie an, ähnlich wie das bei der Physiotherapie geschieht. Wer mit psychischen Problemen in eine Therapie muss, kann mit dieser Verordnung sofort in Behandlung gehen. Die Therapeutinnen und Therapeuten rechnen diese künftig direkt mit der Krankenkasse ab.
Freude bei Psychologen, Sorge bei Psychiatern
Applaus gibt es bei der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP). Co-Präsidentin Yvik Adler begründet: «Weil wir seit 2011 an diesem Ziel gearbeitet haben, freuen wir uns jetzt ausserordentlich.»
Bedenken hatten dagegen die Psychiater und Psychiaterinnen geäussert. Sie wie auch die Krankenkassen befürchteten, dass so mehr Behandlungen stattfänden und die Gesundheitskosten anstiegen.
Adler relativiert: «Andererseits ist der Return on Investment – also wie viel man spart, wenn frühzeitig gute Behandlungen bei psychischen Erkrankungen erfolgen – sehr, sehr hoch. Man rechnet bei einem Franken, den man investiert, mit vier bis fünf Franken, die man dann spart.»
Bundesrat will Kosten im Blick behalten
Der Bundesrat rechnet mit Mehrkosten zwischen 100 und 170 Millionen Franken jährlich, wie er zum Entscheid schreibt. Die Kostenentwicklung will er überwachen und allenfalls korrigieren. Ausserdem begrenzt er eine Anordnung auf 15 Therapiesitzungen. Das bedauert Adler: «Für die Langzeit-Psychotherapien bei schwereren, chronischen Erkrankungen stellt es ein Problem dar, weil diese Behandlungen meistens länger gehen und sehr viel Aufwand damit verbunden ist, solche Menschen weiter zu betreuen.»
Zwar kann die Anordnung erneuert werden, doch nach 30 Sitzungen braucht es die Rücksprache mit der Krankenversicherung. In Kraft treten soll der Systemwechsel bei der Krankenkassenabrechnung auf Sommer 2022.