Eine Taschen-Manufaktur, die schweizweit ihresgleichen sucht. Produkte, die die Handschrift eines international tätigen Designers tragen. Und Menschen, die sich mit ihrer Arbeit aus den Banden der staatlichen Abhängigkeit befreien können. Das ist KoKoTé.
«KoKoTé» ist Suaheli und bedeutet «wohin». Eine existenzielle Frage für Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen. KoKoTé ist aber auch ein Bildungs- und Arbeitsintegrationsprojekt für Flüchtlinge, angesiedelt in Schattdorf im Kanton Uri.
«Wir wollen Flüchtlingen eine Basis geben, damit sie wieder eine Existenz aufbauen können», sagt Franz Huber. Zusammen mit seiner Frau Yvonne Herzog hat er das Integrationsprojekt 2015 ins Leben gerufen. Sie sagt: «Wir haben das Ziel, dass alle Migrantinnen und Migranten von der Sozialhilfe wegkommen.» Bis auf eine Person sei dies auch gelungen.
Learning by Doing heisst die Devise
Die Produktion von KoKoTé steht im Industriegebiet. Auf Arbeitstischen stechen grosse Spulen ins Auge. Nähmaschinen rattern. Irgendwo ist eine Stanzmaschine zu hören.
Hier arbeitet unter anderem Oleksandra. Eine Ukrainerin, die vor 1.5 Jahren nach Uri kam. Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Mittlerweile kann sie sich gut verständigen. Learning by Doing heisst die Devise.
Amene aus Afghanistan dagegen ist seit vier Jahren bei KoKoTé. Sie kontrolliert gerade fertige Taschen. «Die Arbeit macht mir Freude. Ich hoffe, ich kann hier bleiben.»
Die Taschen «made in Uri» sind Designerstücke. Dank einer zufälligen Begegnung mit Carsten Jörgensen. Einem Dänen, der 25 Jahre lang die Designabteilung von Bodum leitete. «Er hat sich bereit erklärt, ehrenamtlich mitzuwirken», sagt Huber.
Wir sind nicht so hinterwäldlerisch, wie es immer tönt.
So mancher würde eine solche Manufaktur eher in Zürich als in Uri erwarten. Das ist sich auch Huber bewusst. «Als Urner trage ich gerne etwas zur Imagepflege des Kantons bei. Wir sind nicht so hinterwäldlerisch, wie es immer tönt.»
Kulturelle Unterschiede werden zur Geduldsprobe
Dass Huber und Herzog auf Handwerk setzen, kommt nicht von ungefähr. In der Heimat ihrer Mitarbeitenden sei das Nähen fest verankert, sagt Franz Huber. «Sie sprechen zwar kaum Deutsch, können aber gut nähen. Das ist ein grosser Vorteil.»
Doch aller Anfang war schwer. Die grösste Hürde: die kulturellen Unterschiede. «Bei uns fährt der Bus um 8:03 Uhr. Bei ihnen dann, wenn der Bus voll ist. Das sind zwei verschiedene Systeme», so Franz Huber. An der Pünktlichkeit der Angestellten habe man arbeiten müssen. «Das brauchte Geduld.»
Kein Kinderspiel war auch der Absatz der Produkte. Um die ersten Taschen ausliefern zu können, zapfte er sein Beziehungsnetz in der Wirtschaft an. «Zuerst durften alle meine Geschäftskollegen eine Tasche kaufen», sagt Huber und lacht.
Noch schreibt die Firma rote Zahlen
Mittlerweile zählen mittlere und grössere Unternehmen zur Kundschaft. Doch noch schreibt die Firma rote Zahlen. Huber: «Aktuell sind rund 80 Prozent der Kosten gedeckt.»
Den Rest finanziere man mit Einnahmen aus anderen Firmen der Holding. Eine Rechnung, die für Huber aufgeht. «Wir Schweizer haben sehr viel profitiert. Davon kann man auch etwas zurückgeben, wenn Leute anklopfen, die ein Problem haben.»
Ursprünglich wollten sie nach zehn Jahren auf finanziell soliden Beinen stehen, sagt Yvonne Herzog. Das sei noch immer realistisch. «Wenn mehr Unternehmen nicht nur von Nachhaltigkeit sprechen, sondern auch bereit sind, den Preis dafür zu zahlen.»