Dauerhafte Temperaturen unter null Grad Celsius im Gestein herrschen gemäss Bundesamt für Umwelt noch auf ungefähr fünf Prozent der Schweizer Landesfläche. Taut der Frost, stürzen lockeres Gestein oder ganze Felsnasen ab. Kleinere Felsstürze nehmen seit 30 Jahren zu. Grössere Bergstürze sind jedoch noch selten und entsprechend weniger erforscht.
Beim Ortsstockhaus oberhalb von Braunwald im Kanton Glarus und direkt gegenüber der steilen Nordwand des Ortsstocks ist ein Team der Technischen Universität Aachen mit Pickel und Schaufel am Werk. Auf einer ebenen Fläche wird ein Radargerät aufgestellt, um die Wand zu überwachen.
Ingenieurgeologe Florian Amann zückt sein Smartphone und zeigt auf die andere Seite des Tals, wo die Türme des Kärpf in die Höhe ragen. Auch dort haben die Forschenden bereits ein identisches Gerät installiert.
Kärpftürme rutschen bis zu einem Meter pro Jahr
Auf dem Bildschirm zeigt Amann ein grünes Bild mit roten und blauen Bereichen. Die blauen bewegen sich weg vom Radar – dort schmelzen die letzten Schneeflächen. Die roten Bereiche markieren Felszonen, die sich zum Radar hinbewegen, im Fall des Kärpf geht das ziemlich schnell: 60 bis 100 Zentimeter pro Jahr.
Auf einer steilen Bruchzone gleiten die Kärpf-Türme gegen das Tal. Seit bald 30 Jahren gibt es dort immer wieder Felsstürze. Das rutschende Gesteinsvolumen habe das Potenzial für einen grossen Bergsturz, erklärt Amann. Dank einer darunterliegenden Mulde und einer Moräne würde aber viel Material aufgefangen, selbst wenn ein grosses Paket auf einmal abrutscht: «Da müsste sehr viel dumm laufen, um das Tal zu gefährden.»
Messen, bevor es zu spät ist
Bei den zwei Messungen am Kärpf und am Ortsstock geht es denn auch nicht in erster Linie um eine lokale Gefahrenanalyse. Vielmehr sollen langfristig grundlegende Daten gesammelt werden, um die Verschiebungen von Bergen im tauenden Permafrost zu beobachten.
«Es ist höchste Zeit, denn der Permafrost taut schon länger auf. Wer wissen will, was das mit den Bergen macht, muss jetzt messen und nicht erst in ein paar Jahren», so Amann.