- Im aufsehenerregenden Berufungsverfahren gegen sechs Lausanner Polizisten, die im Fall des 2018 getöteten Mike Ben Peter der fahrlässigen Tötung und des Amtsmissbrauchs beschuldigt werden, wurde in Renens (VD) in zweiter Instanz ein Urteil gesprochen.
- Das Waadtländer Kantonsgericht hat den Freispruch der Polizisten bestätigt.
- Demnach hätten die Einsatzkräfte verhältnismässig reagiert.
Ein 39-jährigen Nigerianer hatte sich bei einer Drogenkontrolle in Lausanne widersetzt und war bei seiner Festnahme durch die sechs angeklagten Polizisten ums Leben gekommen. Nach einem Freispruch in erster Instanz im Juni 2023 und einem dreitägigen, aufsehenerregenden Berufungsverfahren lag es an den drei Richtern des Berufungsgerichts zu entscheiden, ob sich die sechs Beamten der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht hatten. Zudem mussten die Richter auch über Amtsmissbrauch urteilen, der in zweiter Instanz als Anklagepunkt hinzugefügt worden war. Sie sprachen die Polizisten in beiden Anklagepunkten frei.
Die ursprünglich fallen gelassene Anklage hinterliess im vergangenen Jahr einen faden Beigeschmack. Am Ende des ersten Prozesses hatten der Anwalt der Opferfamilie und kritische Beobachter den Eindruck, dass die Staatsanwaltschaft die schweren Vorwürfe der Polizeigewalt nicht mit der letzten Konsequenz aufklären wollte. Die Anklageschrift umfasste nur sechs Seiten und beschrieb die Vorfälle nicht sehr exakt. So war auch nicht klar, was, welchem der sechs Polizisten vorgeworfen wird.
Nun verwiesen die Richter in ihrem Urteil in zweiter Instanz insbesondere auf die gerichtsmedizinischen Gutachten. Diese hatten festgestellt, dass es unmöglich sei, mit Sicherheit zu sagen, dass der Dealer aufgrund des Polizeieinsatzes und aufgrund des Festhaltens in Bauchlage gestorben sei. Das Berufungsgericht befand ausserdem, dass die Polizisten ihre Sorgfaltspflicht nicht «schuldhaft» verletzt hätten.
Einsatz laut Richter gerechtfertigt, legitim und verhältnismässig
«Man kann den Polizisten nichts vorwerfen. Die Festnahme war gerechtfertigt, legitim und verhältnismässig», sagte der Gerichtspräsident. Der Herz-Kreislauf-Stillstand sei somit unabhängig von der Art und Weise der Positionierung des Opfers eingetreten, so die Richter.
«Die Ursachen für seinen Tod sind multifaktoriellen Ursprungs», erklärten sie. Damit schlossen sie einen kausalen Zusammenhang zwischen der Art und Weise des Eingreifens der Polizisten und dem Tod des festgenommenen Nigerianers aus, so wie es 2023 die Vorinstanz getan hatte.
Weiterzug wahrscheinlich
Der Anwalt der Familie des Opfers, Simon Ntah, hatte eine Verurteilung der Polizisten gefordert. Seiner Ansicht nach haben die Polizisten bei der Festnahme unverhältnismässig viel Gewalt angewendet. Nach der Urteilsverkündung wollte er sich nicht äussern. Er hatte jedoch immer angedeutet, dass er den Fall bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) weiterverfolgen würde.
Die Witwe des Opfers äusserte sich hingegen, als sie das Gerichtsgebäude verliess. «Ich fühle mich sehr schlecht. Wir wollen Gerechtigkeit für meinen Mann, die Familie und meine Kinder (...). Die Polizisten wissen, dass sie falsch lagen», sagte sie den Medien.